Die Feier der Osternacht
von Peter Godzik
Morgens um halb sechs, wenn es noch dunkel ist, machen wir uns auf den Weg zur Kreuzkirche. Die Dunkelheit und der Name unserer Kirche im Westbezirk erinnern uns daran, welchen Leidensweg Jesus damals gegangen ist von Gethsemane nach Golgatha vor den Toren Jerusalems. Sein Weg wird uns zum Gleichnis werden für all die Kreuzwege unserer Zeit, für das Leiden und Sterben der Menschen.
"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Wer alles mag diesen Schrei schon geteilt haben und noch teilen in den dunkelsten Stunden seines Lebens? Aber der Weg in die Kälte und Dunkelheit der Nacht ist nicht endlos und ohne Ziel. Wir gehen zur Kirche in den Gottesdienst und treffen dort andere Menschen, die mit uns auf der Suche sind. Was wir brauchen in solchen Stunden, ist die Erfahrung von Licht, von Helligkeit und Wärme.
"Christus ist das Licht", so rufen und empfinden wir beim Einzug der Osterkerze in die um sechs Uhr noch dunkle Kreuzkirche. Im Schein dieses Lichtes erinnern wir uns an die großen Heilstaten Gottes:
- an das Licht des ersten Schöpfungstages;
- an das Leuchten des Regenbogens über der bewahrten Schöpfung;
- an die herrliche Freiheit der Kinder Gottes nach Jahren der Knechtschaft in Ägypten und anderswo;
- an den Schimmer der Hoffnung auf dem Grunde der Angst, der alles überstrahlt, wenn wir uns auf ihn nur verlassen.
Christus ist das Licht - diese Erfahrung gehört uns seit unserer Taufe. Deshalb wollen wir sie im Schein der Kerzen besingen mit einem strahlenden, jubelnden Halleluja. Und wenn dann die Sonne aufgeht und den neuen Tag aufleuchten lässt, werden wir verstehen, was damals geschehen ist: "Was suchet ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier; er ist auferstanden."
Christus ist das Licht, das unsere von Kummer und Traurigkeit gehaltenen Augen wieder sehen lässt, Verzagtheit in Freude verwandelt und erstarrte Glieder in Bewegung bringt. So wie die Emmaus-Jünger im Brechen des Brotes den Heiland erkannten, so wollen auch wir uns in Brot und Wein Ermutigung und Gemeinschaft schenken lassen von dem, der gesagt hat: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben."
In: Kirche in Büdelsdorf. Information - Besinnung - Meinungsbildung, Ausgabe März 1983.