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August Strindberg

August Strindberg über Otto III.

Zwei Jahre waren vergangen, als der Papst Silvester an einem Tag im Januar nach Paterno gerufen wurde, der kleinen Burg am Sorakte, wo der römisch-deutsche Kaiser [Otto III.] wohnte und jetzt krank lag.

Als Silvester ins Krankenzimmer eintrat, saß der Kaiser aufrecht, sah aber kümmerlich aus.

- Du bist krank; ist es Seele oder Körper?

- Ich bin müde.

- Bereits, im Alter von zweiundzwanzig Jahren!

- Ich bin missmutig.

- Du bist missmutig, obwohl du die Welt nach ihrem Albtraum erwachen sahst! Bedenk doch, Undankbarer, was haben diese beiden Jahre nicht alles gebracht, welche Siege für Christus, der wirklich wiedergekommen zu sein scheint. Ich will sie aufzählen; höre zu! ... Böhmen hat seinen Herzog bekommen, der das Heidentum ausgerodet; Österreich hat sich als Donaustaat geeinigt; der heidnische Magyar hat sich taufen lassen und die Krone von unserer eignen Hand empfangen, als Stephan der Erste; Boleslaw von Polen hat auch eine Krone und einen Erzbischof bekommen; das neue Reich der Russen hat die Taufe angenommen, und Wladimir der Große schützt uns gegen untergehende Sarazenen und die aufgehenden Seldschuken oder Türken; Harald von Dänemark und Olof von Schweden haben das Christentum befestigt; Olof Tryggveson ebenfalls in Norwegen und Island, auf den Färöer-Inseln, in Shetland und Grönland; und mit dem Dänen Tveskägg wurde Britannien fürs Christentum gesichert. In Frankreich sitzt der fromme Robert II. aus dem neuen Geschlecht der Kapetinger, aber von sächsischer Herkunft wie du. In Spanien haben die nördlichen Staaten Leon, Kastilien, Aragonien, Navarra sich endlich geeinigt und wehren uns die Mauren in Cordova ab. Das alles in fünf Jahren, und unter Roms Ägide! Ist das nicht Christi Wiederkehr, und verstehst du jetzt, was die Vorsehung mit dem tausendjährigen Reich meint! Die in tausend Jahren leben, werden vielleicht die Früchte reifen sehen, während wir nur die Blüte gesehen haben! Ein Paradies ist es ja nicht, aber es ist besser als früher, etwas besser als damals, als wir Wilde im Norden und Osten hatten. Und von Rom holen alle ihre Kronen und ihr Pallium. Du bist ein Herrscher über die Völker, mein Kaiser.

- Ich? Du regierst die Geister, nicht ich, und ich will nicht herrschen.

- Nein, ich habe es gehört, denn du hast dir eine Herrscherin angeschafft!

- Wer sollte das sein?

- Man sagt und du kennst das Gerücht ebenso gut wie ich, dass es die Witwe des Crescentius ist, die schöne Stephania. Nun, das ist deine Sache, aber Salomo rät: Nimm dich in acht vor deinen Feinden, aber sei auch vorsichtig mit deinen Freunden!

Der Kaiser sah aus, als wollte er sich verteidigen, vermochte es aber nicht, und so war das Gespräch zu Ende.

*

Einige Tage darauf war Otto III. tot, nach der Sage vergiftet, auf die eine oder die andere Art, von der schönen Stephania.

Und ein Jahr später starb Silvester II.

August Strindberg, Historische Miniaturen. Aus dem Schwedischen übertragen von Emil Schering. Volksausgabe, München und Leipzig: Georg Müller. Zweiundzwanzigste Auflage o. J., S. 173-188: Das Tausendjährige Reich.