Gottes Segen auf meinen Wegen
von Peter Godzik
Seit meinen Kindertagen liebe ich besonders den aaronitischen Segen am Ende des Gottesdienstes: "Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig; der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden." Durch diese Worte und die mit ihr verbundene Geste habe ich mich immer angenommen und bei Gott geborgen gefühlt - auch und gerade, wenn es Schweres im Leben zu tragen galt. Das Symbol des aufgedeckten Angesichts - eine frühkindliche Erfahrung und eine Verheißung fürs Leben: "Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein."
Später ist mir dann aufgegangen, wie liebevoll Gott jeden einzelnen von uns sucht mit seinem aufrichtenden und zurechtbringenden Wort. Wir hören es in der Predigt im Gottesdienst, in den Losungen der Herrnhuter Brüdergemeinde, in der (täglichen) Bibellese, in den uns persönlich zugedachten Segensworten bei Taufe, Konfirmation und Trauung. Für mich kamen auch noch Segensworte zur Ordination und zur Einführung in ein neues Amt hinzu. In all dem habe ich den Segen gespürt, mit dem Gott ein Menschenleben begleitet, es fördert, herausruft, stärkt und vollendet. Gott ist einer, der das Leben lieb hat, der Verirrte zurechtbringt, Trauernde tröstet, Mutlosen neue Hoffnung schenkt.
Ich erinnere mich an meinen Taufspruch. Christus spricht: "Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten" (Johannes, 6,35). Eine tiefe Wahrheit über unser Leben kommt darin zum Ausdruck: Immer sind wir auf Nahrung angewiesen. Doch lebt der Mensch nicht nur vom Brot allein: Gott nährt uns auch mit seinem Wort und Sakrament. Frère Roger, in dessen Kommunität in Taizé ich oft gebetet habe, hat das in der Regel von Taizé so festgehalten: "Christus gibt sich uns sichtbar im Sakrament. So nähre dich vom Mahl der Danksagung und vergiss nicht, dass es den Kranken des Volkes Gottes angeboten ist. Es ist für dich da, der du immer schwach und hinfällig bist."
Ich erinnere mich an meinen Konfirmationsspruch. Paulus spricht: "Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben" (Römer 1,16). Es gibt eine Zeit in unserem Leben, da sind wir herausgefordert, nicht nur wie Kinder zu nehmen, sondern auch als Erwachsene uns zu bekennen. Was uns genährt und Kraft gegeben hat, das Leben zu bestehen, das sollen wir mitteilen, damit andere verstehen und auch für sich selbst einen Weg finden. Welch ein Segen, wenn es gelingt, einer zu werden, der sich freimütig bekennt zu dem Grund seines Lebens, der hingeht und sucht und liebt und zurechtbringt, wie Paulus es getan hat!
Ich erinnere mich an meinen Trauspruch. Christus spricht: "Ein neu Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebet, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habet. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt" (Johannes 13, 34-35). Was der ganzen christlichen Gemeinde für ihr Leben miteinander gesagt ist, das muss sich zuerst in den so nahen Bezügen von Ehe und Familie bewähren. Hier lernen wir, einander zu vergeben und neue Anfänge zu ermöglichen. Liebe geht ja nicht nur leichte Wege, sondern ringt und kämpft, sucht und verzeiht.
Ich erinnere mich an meinen Ordinationsspruch. Christus spricht: "Wer an mich glaubt, von des Leibe werden Ströme lebendigen Wassers fließen" (Johannes 7,38). Welch ein Segen, welch eine Verheißung, dass wir nicht nur Nehmende, sondern auch Gebende sein dürfen in unserem Leben! Nicht nur mit guten Worten aus vollem Herzen, wie es das Sprichwort sagt, sondern auch mit leibhaftiger Wärme und Nähe zu den Menschen. Lebendige Gemeinschaft, lebendige Gemeinde, die überfließt in herzlicher Liebe und die Kraft dazu aus einem tiefen Brunnen schöpft: dem Glauben an Gottes freundliche Zuwendung in Jesus Christus.
Ich erinnere mich an meinen Einführungsspruch vor sechs Jahren in Hannover. David betet: "Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus" (Psalm 51,14). Selbst Könige geraten in Versuchung und laden Schuld auf sich. Aber Gott lässt niemanden verlorengehen, der umkehrt und Buße tut. Wann immer wir uns verirren in unserer Lebensgeschichte, müde und mutlos werden: Gott richtet uns auf mit seinem Wort, wenn wir ihn nur aufrichtig darum bitten.
In: Dom-Informationen, September 1993.