Rezension von Dietmar Silbersiepe, Düsseldorf 1994
Verlaß mich nicht, wenn ich schwach werde. Handbuch zur Begleitung Schwerkranker und Sterbender, Andreas Ebert, Peter Godzik, 320 Seiten, 49,90 DM
Tod und Sterben werden zwar in unserer Gesellschaft weitgehend tabuisiert und verdrängt, dennoch rät der literarische Boom zu diesem Thema - von Kübler-Ross in den siebziger Jahren bis zu den Esoterikern aller Couleur in den Neunzigern - daß es Menschen beschäftigt. Kein Wunder! Das, worüber man nicht spricht, beschäftigt einen am meisten.
Wer sich ernsthaft - möglicherweise von Berufs wegen oder aufgrund ehrenamtlicher Mitarbeit in einem Besuchsdienstkreis - mit den Fragen des Sterbens und vor allem der Begegnung und des Gespräches mit Sterbenden beschäftigt, dem sei dieses Buch nicht nur empfohlen, sondern - ich weiß nicht wie ich's sagen soll - allerwärmstens ans Herz gelegt. Der Bücher gibt es viele. Aber dies ist ein wunderbares Buch. Eine wunderbare Fundgrube von Texten, Bildern, Gedichten, Gebeten, praktischen Anleitungen. Kein Buch, das man fortlaufend Seite für Seite liest, sondern ein Arbeitsbuch, das man z. B. auf Seite 275 aufschlagen kann, um dort einen Gestaltungsvorschlag zur "Einübung in die Krankensalbung" zu finden.
Das Gemeindekolleg der VELKD in Celle hat als Projekt der Gemeindediakonie einen Kurs "Sterbende begleiten - Seelsorge der Gemeinde" für ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erarbeitet. Das vorliegende Buch stellt diesen Kurs vor. Es ist so angelegt, daß es als praxisbegleitende Grundlage für Kurse und Seminare zu diesem Thema dienen kann. Darüber hinaus ist es als Lese- und Arbeitsbuch für alle gedacht, die beruflich oder familiär mit Schwerkranken oder Sterbenden zu tun haben.
Im ersten Teil des Buches wird der in acht Schritten angelegte Einführungskurs beschrieben mit Texten, Anleitungen, Arbeitsblättern etc. Der zweite Teil begleitet die Kursteilnehmer in einem mehrmonatigen Praktikum (im Krankenhaus, Altenheim o.ä.). Hier finden sich sehr konkrete und detaillierte Anleitungen zu praktischen Fragen des Besuches bei Schwerkranken oder Sterbenden.
Das lösende Wort
Am allerspannendsten finde ich den dritten Teil des Buches, in dem ein, wiederum achtteiliger, Aufbau- oder Vertiefungskurs vorgestellt wird. Er dient der Verarbeitung und geistlichen Vertiefung der praktischen Erfahrungen und steht unter der Überschrift "Das lösende Wort". Mit diesen letzten acht Schritten "folgen wir", so die Herausgeber in der Einleitung, "der inneren Struktur der Beichte, die ausgesprochen oder unausgesprochen viele Gespräche vor dem Sterben bestimmt".
Dabei geht es den Autoren nicht um die Beichte im engeren Sinn, "sondern um jede Form zwischenmenschlicher Kommunikation, in der das menschliche Wort lösend, heilend und helfend wirkt. Es gibt eine Form des Gespräches, die sich selbst niemals 'Beichte' nennen würde und die ohne Rituale und Formeln dennoch das tut, was Jesus gewollt hat: Menschen spüren lassen, daß sie in allen Ängsten und in allen schuldhaften und schuldlosen Verstrickungen des Lebens bedingungslos geliebt und angenommen sind."
Das Buch ist nicht billig. Aber es ist sein Geld mehr als wert.
Dietmar Silbersiepe, Düsseldorf
Vermutlich Ende 1994, der Ort der Veröffentlichung ist unbekannt.