zuhören

In der Emmaus-Geschichte ist Jesus lange Zeit Zuhörer, bevor er zu sprechen beginnt. Er hört auf eine Weise zu, die den traurigen Jüngern hilft zu reden, das Herz auszuschütten, ihre Trauer in Worte zu fassen. Diese Art des Zuhörens erfordert die Aufmerksamkeit, Konzentration und Präsenz des ganzen Menschen.

Michael Ende erzählt in seinem berühmten Kinderbuch von dem Mädchen Momo, das die Gabe des Zuhörens hat. Zu Menschen, die Probleme haben, sagt man in dieser Geschichte: "Geh doch zu Momo!" Durch bloßes Zuhören hilft Momo ihnen, das loszuwerden, was sie bedrückt. Momo gibt keine Ratschläge; aber sie hört so zu, daß die Menschen am Ende selbst eine Lösung finden. Auch Streithähne schickt man zu Momo. Durch ihre Art des Zuhörens hilft sie den Streitenden, sich auch gegenseitig zuzuhören und auf diese Weise zur Versöhnung zu gelangen. Sogar einen Vogel, der keinen Ton mehr von sich gibt, bringt Momo durch bloßes Zuhören wieder zum Singen.

Behindert wird Zuhören vor allem dann, wenn die Person, die zuhören will, selbst emotional so belastet ist, daß sie keinen inneren Raum mehr für ein Gegenüber hat. Das Zuhören wird auch dadurch erschwert, daß ich mich mit dem Problem des anderen nicht wirklich auseinandersetzen kann, weil es für mich selbst zu bedrohlich ist. Wenn ich mich beispielsweise nie mit den eigenen Ängsten vor dem Sterben auseinandergesetzt habe, werde ich kaum offen sein für das, was mir ein Sterbender über seine Ängste mitzuteilen versucht. Ich mache innerlich "zu", auch wenn ich äußerlich den Anschein erwecke, zuzuhören. Womöglich biege ich sogar das Thema ab. Deshalb ist die Begleitung der Begleitenden so wichtig. Wer anderen erlaubt, sich auszusprechen, braucht selbst einen Ort der Entlastung und Aussprache.

Zuhören ist keine passive Angelegenheit. Durch die gesamte Haltung und durch hilfreiche Rückfragen kann ich signalisieren, daß ich anwesend bin und zuhöre.

Es gibt eine Reihe von Übungen und Ratschlägen zur Einübung eines "aktiven Zuhörens". Eine davon ist der "kontrollierte Dialog". Diese Übung ist hilfreich, weil die meisten von uns dabei merken, wie oft wir beim Reden unseres Gegenübers bereits mit unseren Gegenargumenten beschäftigt sind und deshalb gar nicht richtig zuhören. In der "Praxis" können wir natürlich so nicht miteinander reden. Aber auch da kommt es darauf an, wenigstens in Gedanken erst einmal nachzuvollziehen, was der andere wirklich gesagt hat.

Der Psychologe Friedemann Schulz von Thun hat in drei preiswerten Taschenbüchern unter dem Titel "Miteinander reden" eine spannend geschriebene und allgemeinverständliche "Psychologie der Kommunikation" entwickelt. Er betont darin unter anderem, daß wir beim Zuhören immer gleichzeitig "mit vier Ohren" empfangen. Er nennt diese Ohren: Sach-Ohr, Beziehungs-Ohr, Selbstoffenbarungs-Ohr und Appell-Ohr. Das Problem dabei: "Der Empfänger hat prinzipiell die freie Auswahl, auf welche Seite der Nachricht er reagieren will."

Haben Sie sich schon einmal Gedanken gemacht, wie Sie selbst gerne sterben würden? Möchten Sie lieber zu Hause sein oder in einem Krankenhaus? Wünschen Sie sich einen schnellen Tod oder ein langsames Abschiednehmen? Wer soll in den letzten Tagen bei Ihnen sein? Wie wünschen Sie sich Ihre letzte Stunde?

Professor Johann-Christoph Student hat bei seiner Arbeit mit Sterbenden vier grundlegende Wünsche Sterbender herausgehört.

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