Stimmen zum Kurs - Hospizstiftung Niedersachsen 04/2004
"Verlass mich nicht, wenn ich schwache werde"
Die Hospizstiftung will vor allem die Fortbildung der Ehrenamtlichen in der Hospizarbeit unterstützen. Bundesweit Schule machte das Celler Modell.
"Wenn ein Tischler gut arbeiten will, muss er dafür sorgen, dass sein Handwerkszeug vollständig beisammen und in Ordnung ist", sagt Peter Godzik. "In der Sterbebegleitung können wir nur an uns arbeiten. Denn das Werkzeug sind wir selbst." Godzik ist evangelischer Propst in Ratzeburg und einer der Gründungsväter des Celler Modells, einer Fortbildung für Menschen, die Sterbende begleiten. Die Veranstaltungsreihe, 1991 im Celler Gemeindekolleg entwickelt, machte bundesweit Schule und wurde zum Vorbild vieler Fortbildungsreihen.
Unter dem Motto "Verlass mich nicht, wenn ich schwach werde" werden ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für den Besuchsdienst bei Schwerstkranken und Sterbenden vorbereitet. Die Trainings bestehen jeweils aus einem Grundkurs, einem Praktikum und einem Vertiefungskurs. In jeweils acht festgelegten Schritten lernen Ehrenamtliche sich kennen, tauschen ihre Erfahrungen in der Begegnung mit dem Tod aus und üben, die Bedürfnisse Sterbender zu erkennen und zu beachten.
"Manche Ehrenamtliche können es nicht zulassen, dass ein Mensch stirbt", weiß Ingrid Bochow, "darum wollen sie am Sterbebett ganz viel tun - die Stirn abtupfen oder das Radio anstellen oder Gespräche führen. Aber manchmal ist es viel wichtiger, die Hand des Patienten zu halten und einfach nur da zu sein." Die Cuxhavener Ehe- und Lebensberaterin leitet jeweils zusammen mit einem Theologen Fortbildungskurse nach dem Celler Modell. "Entscheidend ist, in diese Arbeit ehrlich zu sein, auch Ratlosigkeit zuzugeben. Es gibt eben nicht auf alle Fragen eine Antwort."
So lernen die Ehrenamtlichen, ihre Stärken einzuschätzen - und ihre Grenzen, Dafür erinnern sie sich auch biblischer Vorbilder. So gilt der barmherzige Samariter gemeinhin als Inbegriff des selbstlosen Helfers. In Wirklichkeit hilft er zwar einem Mann, der nach einem Überfall verwundet an der Straße liegt. Aber er weiß auch zu delegieren, indem er den Verletzten schließlich in die Obhut eines anderen gibt. "Helfer dürfen nicht selbstlos sein, sondern müssen auch mit sich selbst behutsam umgehen", sagt Ingrid Bochow. Oder, wie es der lateinamerikanische Theologe Lindolfo Weingärtner beschrieb: "Trösten kann nur, wer Trost empfing. Geben, der selbst empfangen. Nur der Versöhnte vermag zu versöhnen."
An den Kursen nehmen Menschen aus vielen Berufen teil, die ganz verschiedene Erfahrungen mit Sterbenden einbringen. "Das macht meine Arbeit so spannend", sagt Ingrid Bochow. In einem anschließenden Praktikum von einigen Monaten begleiten die Ehrenamtlichen jeweils einen schwerkranken Menschen. Im Vertiefungskurs geht es nochmals um die Frage der eigenen Motivation, schmerzliche Erfahrungen werden besprochen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer betrachten auch Filme miteinander, etwa den Film "Gramp - ein Mann altert und stirbt", oder sie sehen sich Bilder an wie jene des Künstlers Ferdinand Hodler, der 1914 seine sterbende Frau Valentine malte, das schmerzgezeichnete Antlitz abgewandt, und der sie ein halbes Jahr später so porträtierte, wie er sie in Erinnerung behielt. "Ich kenne kein schöneres, glühenderes, von Liebe erfüllteres Gesicht als dies", sagt Peter Godzik.
Die Fortbildung und Supervision der Ehrenamtlichen in der Hospizarbeit zu unterstützen, ist zentrales Anliegen der neugegründeten Hospizstiftung. "Viele Hospizgruppen haben nur geringe Mittel zur Verfügung", berichtet Ingrid Bochow. Kursgebühr und Fahrtkosten können manche Freiwillige kaum aufbringen, und für die Supervision der praktischen Arbeit fehlt es vielerorts an Geld. "Wir erhoffen uns von der Hospizstiftung, dass sie dabei den vielen Initiativen unter die Arn greift." Denn wer als Ehrenamtlicher viel Zeit und Energie investiere, stoße an seine Schmerzgrenze, wenn ihn sein Engagement auch noch Geld kostet.
Eine profunde Fortbildung und Supervision ist für die Sterbebegleitung entscheidend, meint Peter Godzik. "Wir sind eben kein "last-minute-service?, sondern Weggefährten bis zu dem Punkt, an dem es Zeit ist loszulassen."
Stimmen | Hospizstiftung Niedersachsen | https://hospiz-stiftung-niedersachsen.de/ | abgerufen: 30.04.2004