Ratzeburg, den 23. August 2004

 

Lieber Freund, danke für Deine E-Mail.

Es geht mir nicht allein um den Kirchenkreis Herzogtum Lauenburg. Und es geht mir nicht um Macht. Ich möchte aber gern in einer Kirche leben, die von unten nach oben aufgebaut ist und in der die mittlere und obere Ebene nur wie ein schützendes Dach funktioniert und nicht allzu viel bestimmen will. Ich glaube, dass die Verfassung unserer Kirche so aufgebaut ist. Und ich glaube, dass das Prinzip der Subsidiarität genau das meint: die kleineren Einheiten haben Vorrang vor den größeren. So ist doch einmal Kirche entstanden. Und nun gibt es eine sozusagen katholische und moderne Versuchung: Zielvorgaben und Mittelverteilung von oben nach unten. Das wollte der Sozialismus schon so, das ist die Strategie mancher moderner Unternehmen. Aber es funktioniert nicht wirklich, weil es an den Menschen vorbei geht.

Ich habe meine Rolle in dem ganzen Verfahren so gesehen, dass ich sehr frühzeitig auf die Implikationen aufmerksam gemacht habe, die im Reformprozess liegen. Ich habe versucht, Augen zu öffnen und Bewusstsein zu schärfen. Ich habe nie nur Kritik geübt oder Lauenburg verteidigt. Ich habe Alternativmodelle vorgeschlagen. Du erinnerst Dich: schöne, gleichmäßige Sprengel und einigermaßen überschaubare Großkirchenkreise ohne Gliederung mit Groß- und Kleinpropst. Damit bin ich gescheitert. Ich habe einen neuen Flächenplan vorgelegt: die Orientierung an den kommunalen Grenzen. Das soll ja nun so kommen - wohl schon wegen der neuen Finanzverteilung.

Ich halte es für falsch, den kreisfreien Städten keine eigenen Kirchenkreise zuzugestehen. Kiel und Lübeck wären groß genug, Flensburg und Neumünster könnten auch als Orte für Regionalzentren wichtige Bedeutung bekommen. Ich kann mit der Verbindung von Lauenburg und Lübeck leben, zumal wenn es dann dem Großkirchenkreis überlassen bleibt, sich wieder raum- und situationsgerecht zu gliedern. Deshalb habe ich Dir in Kiel zugeflüstert: Merkst Du, dass die Luft aus der Kirchenkreis-Sache heraus ist?

Jetzt geht es um die Regionalzentren für Dienste und Werke. Und da schreie ich in der Tat "Aua!" - nicht wegen irgendwelchen Machtverlustes, sondern wegen der Vermischung der Ebenen Kirchenkreis und Nordelbien. Wie soll das gehen, so ein joint venture, mit weitgehenden inhaltlichen und finanziellen Vorgaben? Wir bekommen eine zentralistisch geführte Kirche - und genau das will ich nicht!

Auf nordelbischer Ebene können wir uns verständigen auf Themen, Schwerpunkte -  auch finanzielle Rahmenbedingungen vorgeben. Aber es geschieht doch eine schleichende Enteignung der Kirchengemeinden und Kirchenkreise, die die wichtige Arbeit vor Ort tun und Identifikation schaffen. Ich sehe nicht, dass die Dienste und Werke dieselbe Funktion ausfüllen können. Sie sind auch „Auswanderungsziel“ für manche Pastorinnen und Pastoren aus unterschiedlichen Gründen.

Ich finde die Zahl 5-6 für die Regionalzentren genauso willkürlich wie die Zahl 12 für die Kirchenkreise. Ich habe nichts dagegen, wenn 2-3 Kirchenkreise sich zu einem Regionalzentrum zusammentun. Aber was hat Nordelbien dabei zu suchen? Es gibt eine wilde Lust dieser nordelbischen Synode, dieser Kirchenleitung und dieser Kammer für Dienste und Werke Vorgaben von oben zu machen. Ach wie war es doch vordem in der schleswig-holsteinischen Landeskirche so schön, bequem, einfach.

Es mag ja sein, dass ich die neue Zeit nicht mehr so richtig mitbekomme. Ich habe sehr meditiert, was sich da im großen Sitzungssaal unseres Kirchenamtes in Kiel am Freitag abgespielt hat. Es ist eine neue Zeit und eine neue Kirche, die ich sehr kritisch sehe. Ich fürchte mich nicht vor Niederlagen. Manchmal gewinne ich ja auch. Ich werde meine kritischen Einwände zu den Regionalzentren (und die meine ich sehr ernst!) mit meinem Kirchenkreisvorstand und vor allem mit Dr. von Wedel, dem Vorsitzenden des nordelbischen Rechtsausschusses, beraten. Ich werde auf meinen KKV hören. Ich werde meine Thesen auch den Pastorinnen und Pastoren auf der nächsten Klausurtagung vorstellen. Und ich werde auch auf sie hören. Und dann entscheiden, ob ich mich in dieser Sache öffentlich melde.

Auch werden wir Lauenburger wohl überlegen, welche rechtlichen Schritte es eigentlich gibt, wenn eine Reform erzwungen wird, deren Sinn sich uns nicht erschließt. Es ist doch das meiste ein Ausweichen vor dem eigentlichen Problem: Nordelbien hat in reichen Zeiten angeschafft ohne Ende und kann das jetzt nicht im erforderlichen Maße zurückschrauben - und will es auch nicht. Ach, hätten wir doch noch die 30:70 Aufteilung. Aber nein, wir mussten den Vorwegabzug erfinden, haben Pastorenstellen geschaffen ohne Rücksicht auf Versorgungslasten.

Und nun soll der zweite Schritt der Enteignung kommen, der noch schlimmer ist: es geht nicht mehr nur ums Geld, es geht auch ums Bestimmen. Wer nur hat die Nordelbier dazu gebracht, so von oben Kirche neu strukturieren zu wollen. Ich möchte mich wehren dürfen - nicht zur Verteidigung meines Herzogtums, das kann und werde ich loslassen - sondern zur Verteidigung meines Bildes von Kirche. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Ich gebe mich auch damit zufrieden, dass einer später mal in den Akten findet: Da hat einer versucht, einen Zug noch aufzuhalten. Aber er ist über ihn hinweggerollt. Ich will nicht mit dem Kopf durch die Wand. Das überlasse ich anderen. Aber es schmerzt mich auch zu sehen, wer die Promotoren des neuen Regionalmodells für die Dienste und Werke sind.

Danke, dass Du wenigstens findest, dass uns nach wie vor der Grundkonflikt verbindet und dass es gegenseitige Wertschätzung gibt. Mich schmerzt, dass Du für Dich immer das Große und Ganze in Anspruch nimmst samt aller Theoriebildung und mich für jemanden hältst, der nur für seinen Kirchenkreis kämpft. Das ist nicht wahr. Ich kämpfe für eine Kirche, wie ich sie kenne und liebe, seit ich bewusst denken kann. Und in all meiner pragmatischen Argumentation und Modellbildnerei schimmert doch auch etwas von dem durch, welches Bild von Kirche ich habe.

So, das war jetzt erst mal eine Antwort. Ich hätte gern mit Dir direkt telefoniert. Wir werden noch oft und viel um Nordelbien ringen. Ich kann auch aufgeben und hinnehmen. Nur schade finde ich es, wenn andere mit dem Anvertrauten und Geliebten so rigoros umgehen. Ich wünsche mir sehr, dass wir alle uns an dieser Reform nicht verheben.

Mit herzlichem Gruß, Dein Peter