Die Norddeutschen wissen, was das ist:
ein Pharisäer. Ein als harmloser Kaffee mit Sahnehaube getarntes hochprozentiges
alkoholisches Getränk. Im Neuen Testament begegnen uns Pharisäer
als fromme Menschen, die nach außen korrekt erscheinen, im Innern
aber auch finstere Gedanken hegen. Das ist keine Diskriminierung einer
jüdischen Gruppe zur Zeit Jesu, das beschreibt unser aller „pharisäerhaftes“
Verhalten. Bei einem solchen Menschen ist Jesus zu Gast und erlebt, wie
der bei aller Höflichkeit verächtlich auf eine Sünderin
herabschaut. Jesus kümmert sich nicht so sehr um diese Frau. Sie ist
damit beschäftigt, ihm einen liebevollen Dienst zu erweisen (Lukas
7,36-50). Er sorgt sich um den Pharisäer und möchte sein verschlossenes
Herz öffnen. Er spricht ihn an auf eine Geldfrage (so etwas interessiert
auch heute noch die Leute am ehesten) und fragt nach den Gefühlen
dessen, der so viele Schulden erlassen bekam. Ob der Transfer gelungen
ist? Konnte der Pharisäer Simon die Sünderin mit anderen, verständnisvolleren
Augen ansehen? Jesus sagt ihm und uns allen: „Ihre vielen Sünden sind
vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird,
der liebt wenig.“
Halten wir uns für überaus korrekt
und auf Hilfe und Vergebung nicht angewiesen, könnte es sein, dass
wir zu wenig lieben. Wir haben noch gar nicht die Erfahrung gemacht, was
es heißt, etwas geschenkt zu bekommen. Liebe, Zuwendung, Vergebung,
Glaube, Frieden: Das Wichtigste im Leben, oft verborgen unter einer eleganten
Haube, ist Gottes lebendigmachende Zugabe zum Leben. Wir sollten uns davon
begeistern lassen, dann brauchen wir keine Tarnung für Alkohol oder
andere Süchte.
Propst Peter Godzik, Ratzeburg