Überwunden

Manchmal geschieht es, dass wir von großer innerer Unruhe überwältigt werden: Da ist die Sorge über die plötzliche Erkrankung eines guten Freundes, da ist die Trauer über eine zerbrochene Beziehung, da ist die Betroffenheit über einen schier unlösbaren Konflikt unter Mitarbeitern. Wir geraten aus dem Gleichgewicht und drohen unsere innere Mitte zu verlieren.
Da ist es gut, einen Ankerplatz im aufgewühlten Wasser der Gefühle zu finden, einen Ort der Ruhe und Gewissheit, den uns niemand nehmen kann. „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat“, heißt es im 1. Johannesbrief (5,4).
Das Überwinden der Sorgen und Ängste, der Trauer und Hoffnungslosigkeit geschieht nicht plötzlich. Es entwickelt sich aus einer allmählichen Hinkehr zum festen Halt unseres Herzens. Ich atme tief durch, ich spreche ein Gebet, ich summe ein Lied, das mich an meinen Ankerplatz inmitten der Stürme erinnert: „Nada te turbe, nada te espante; quien a Dios tiene, nada le falta. Solo Dios basta.“ (Nichts beunruhige dich, nichts ängstige dich: wer Gott hat, dem fehlt nichts. Gott allein genügt.)
Dieses Lied aus Taizé über einen Text von Teresa von Avila wird mir zur „inneren Burg“. Ich lasse mich nicht überwinden und übermächtigen, sondern halte stand mit einem tiefen Vertrauen in Gottes Begleitung und Schutz. Die Stürme legen sich innen wie außen, ich entdecke Wege, die ich gehen kann.
In Sorge, Angst, Trauer und Hoffnungslosigkeit werden überraschende Lösungen sichtbar, die ich mir vorher nicht ausdenken konnte. Gott ersieht sich einen Weg, lässt mich zur Ruhe kommen und überwindet mir die bedrohliche Welt. Ich darf Anteil haben an seinem Lebenssieg.
So beschreiben es auch andere, Angefochtene, Geiseln, Trauernde, Verzweifelte und wieder Genesene.

Propst Peter Godzik