Pfingsten feiern wir als Tag der Ausgießung des Heiligen Geistes. An diesem Geburtstag der Kirche waren noch alle miteinander vereint. Am 50. Tag nach Ostern (griech. Pentekoste) geschah das Wunder: Gott goss aus seinen Geist auf "Söhne und Töchter, auf Knechte und Mägde", wie es beim Propheten Joel heißt.
Wer will es wagen, Wunder zu erklären? Sie sind ein Geheimnis und ein Geschenk. Aber notieren dürfen wir Einfälle, Zusammenhänge, Schlussfolgerungen, damit wir aufmerksam werden auf Struktur und Wirkung des Wunders.
Am Anfang der Menschheitsgeschichte läuft die lange Kette von Schuldverstrickung und Gottesferne (Vertreibung aus dem Paradies, Brudermord, Sintflut, Turmbau zu Babel) auf das Ereignis der Sprachverwirrung hinaus. Menschen verstehen einander nicht mehr, die Sprache wird zur Quelle der Missverständnisse. In der Mitte der Zeit schenkt Gott seinen Sohn, lässt ihn leiden und auferstehen. Er stellt die Gottebenbildlichkeit als Maß des Menschlichen wieder her und begeistert die Menschen mit seiner Liebe. Die Sprachverwirrung und Sprachlosigkeit wird überwunden. Einfache Fischer, Handwerker und Bauern reden von dem, was ihr Leben verändert hat. Und sie tun es auf ansteckende Weise: Menschen wollen zu dieser Gemeinschaft dazugehören, die dem Gottessohn glaubt und seinen Spuren der Menschlichkeit nachfolgt.
Die Geschichte der Kirche, die an diesem Pfingstfest beginnt, ist lang und durchaus verheißungsvoll geworden: Aller Welt Enden sollen das Heil unseres Gottes sehen. Aber wir sind auch wieder vertrieben worden aus dem Paradies unseres Anfangs, haben einander nach dem Leben getrachtet, sintflutartige Katastrophen auf uns gezogen und wieder übermütige Lebensentwürfe aufgetürmt. Unter der Verheißung des Regenbogens, vor allem aber durch die Lebenshingabe Jesu am Kreuz ist es freilich nicht wieder so heillos geworden wie am Anfang. Die Grundfesten haben manchmal geschwankt, aber die getrennten christlichen Kirchen und Gemeinschaften sind immer wieder zurückgekehrt zum Wunder des Anfangs.
Pfingsten spricht die Einladung aus, einfach zu werden, Sprache zu finden, auf den anderen zuzugehen, ihn zu verstehen, mit ihm gemeinsam Leben zu gestalten: "Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet." Wer das liest, hört, beherzigt, wird immer für die Einheit der Kirche beten und arbeiten wollen, bis alle eins sind - in einem großen Pfingstfest des Herrn.
Peter Godzik, Propst des Ev.-Luth. Kirchenkreises Herzogtum Lauenburg
Leitartikel im Pfarrbrief der kath. Gemeinden Heilig Kreuz, Mölln, und Sankt Answer Ratzeburg, Juni 2007.