von Peter Godzik
Jesus führte sie aber hinaus bis nach Bethanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, da er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber kehrten wieder nach Jerusalem mit großer Freude und waren allewege im Tempel und priesen Gott. (Lukas 24,50-53)
Zum zweiten Mal nehmen die Jünger Abschied von Jesus. Doch diesmal ist alles ganz anders als beim ersten Mal: sie spüren das Licht und die Wärme, die von ihm ausgeht. Es ist gut so, wie es ist. Sie können ihn loslassen und haben ihn doch allezeit bei sich. Fröhlich und voller Zuversicht kehren sie wieder in ihren Alltag zurück. Es gibt für sie noch so viel zu sagen und zu leben.
Solche beglückenden Erfahrungen machen Menschen auch noch heute. Freilich erst nach einem langen Weg durch Traurigkeit, Zweifel und Anfechtungen. Wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, dann können wir es erst gar nicht fassen, leugnen die Realität des Todes oder wollen in einer Art Überreaktion möglichst schnell alles hinter uns bringen. "Kurz und schmerzlos" soll es sein: das Sterben und das Trauern.
Aber so glatt geht es im Leben und auch im Sterben nicht. Es wäre wohl auch nicht gut für uns, so ganz ohne Anstoß und Herausforderung zu bleiben. Wir sollen schließlich einen Weg gehen, der uns verwandelt: durch Schmerzen zum Licht. Die Jünger Jesu sind diesen Weg gegangen, jede auf ihre Weise, jeder auf seine Weise.
Als er starb, hüllte sich ihr Leben in Finsternis und Verlorenheit. Sie waren niedergeschlagen und voller Angst. Die Traurigkeit ließ sie stehen bleiben auf ihrem Weg durchs Leben. Es war ihnen, als wäre alles zu Ende. Aber der Geliebte war ihnen doch nahe und ging mit ihnen. Angestoßen von ihm konnten sie sich alles vom Herzen reden, was sie bedrückte. So kamen sie wieder in Bewegung, schauten rückwärts zwar, aber öffneten doch wieder ihre Augen. Begleitet und getröstet von seiner Liebe begannen sie allmählich zu verstehen. Er machte ihnen ein Geschenk: die Fähigkeit, mit seinen Augen zu sehen, durch Dickicht und Unklarheiten hindurch den Willen Gottes zu erkennen, seine Liebe und Güte.
Noch einmal spürten sie die Wärme und verwandelnde Kraft seiner Nähe. Augen und Herzen gingen ihnen auf, sie konnten wieder lieben. Am liebsten hätten sie diese Erfahrung für immer bei sich behalten, diesen beglückenden Augenblick des tiefen Erkennens. Aber da machte ihnen Jesus sein letztes Geschenk: er ließ sie gehen in ihr alltägliches Leben zu den Menschen und Aufgaben, die auf sie warteten, mit seinem Segen.
Und nun konnten sie die Trennung verkraften. Sie war nicht wie das erste Mal ein Schock, ein unbegreifliches Einstürzen aller Hoffnungen und Erwartungen. Nein, diesmal konnten sie ihn loslassen, weil sie wussten, dass sie ihn unverlierbar bei sich hatten. Sie konnten leben mit großer Freude und Dankbarkeit. Und was das Schönste von allem war: sie waren wieder voller Erwartung gegenüber dem Leben und gegenüber Gott.
So lange dauert es manchmal, bis aus einem Karfreitag Himmelfahrt und Pfingsten wird. Aber auch wenn uns der Weg schier endlos vorkommt: Gott lässt uns nicht allein, sondern schenkt uns die Kraft aus der Höhe.
Biblische Besinnung zu Lukas 24,50-53, abgedruckt in: Kirche in Büdelsdorf. Information - Besinnung - Meinungsbildung, April 1986.