"Berufung" geschieht auf ganz unterschiedliche Art. In der Alltagssprache sagen wir manchmal: "Dazu fühle ich mich nicht berufen!" So drücken wir aus, daß "Berufung" etwas mit unserem Fühlen zu tun hat. Manchmal weiß ich ganz genau, was "dran" ist, was ich jetzt tun muß, was ich - und nur ich - tun kann und soll. Das ist wie eine innere Stimme, die uns zu etwas Bestimmtem drängt. Diese Stimme kann sich auf relativ alltägliche Dinge beziehen; sie kann aber auch große Lebensentscheidungen vorbereiten. Eine Frau mit 60 spürt plötzlich den Drang in sich zu malen und gelangt so zu einer späten künstlerischen Berufung. Ein junger Mann "weiß", daß er Arzt werden muß, um in die Entwicklungshilfe zu gehen. Manche erleben, daß sie ein bestimmtes Thema jahre- und jahrzehntelang nicht losläßt, obwohl sie es abschütteln wollen und Angst davor haben, eine bestimmte "Berufung" zu haben.
Man kann sich beim Umgang mit der eigenen inneren Stimme auch "verhören". Früher sind viele Menschen ins Kloster gegangen, weil sie dachten, das sei die einzige Möglichkeit, Gott gefällig zu leben. In uns sind viele Stimmen am Werk: Wünsche, Ansprüche, Ideale, der Druck unserer Eltern und anderer Menschen, die uns nahestehen. Deswegen ist die Prüfung einer "Berufung" oft schwierig. Wenn es um wichtige Entscheidungen geht, sollte deshalb eine Berufung immer mit anderen besprochen werden, die über gesunde Menschenkenntnis verfügen und meine Motivation hinterfragen können.
Berufung kann auch von außen kommen. Eines Tages kommt ein Anruf, und man fragt mich, ob ich bereit bin, eine ganz bestimmte berufliche Aufgabe zu übernehmen. Ich spüre plötzlich, daß diese Stelle "stimmt". Es kann aber auch geschehen, daß ich augenblicklich weiß, daß das nichts für mich ist. Oder: Ich sehe im Fernsehen einen Film über ein ganz bestimmtes gesellschaftliches Problem und es durchzuckt mich. Ich weiß, daß ich jetzt dran bin und mich engagieren muß.
In der klassischen christlichen Spiritualität wurde eine Berufung immer so geprüft: Kam sie von außen, mußte der Mensch sich prüfen, ob er ein freies inneres Ja zu diesem Ruf in sich entdecken konnte. Kam sie von innen, mußte sie immer durch psychologisch und spirituell erfahrene Begleiter von außen geprüft und bestätigt werden.
Jeder Mensch ist nach christlicher Auffassung dazu berufen, anderen beizustehen und zu dienen. Das kann allerdings sehr unterschiedliche Formen annehmen und hängt unter anderem von der Situation und den Gaben ab, die jemand mitbringt.
Bis vor nicht allzu langer Zeit fühlten sich "Laien" in der Kirche für die meisten Aufgaben weder berufen noch zuständig. Das galt ganz besonders für den Bereich der Verkündigung und Seelsorge. Oft hatten sie das Gefühl, mit den theologisch geschulten Pfarrern nicht mithalten zu können. In den letzten Jahren wandelt sich das Bild: Immer mehr Menschen in kirchlichen Gruppen und Gemeinden entdecken die eigene geistliche und fachliche Kompetenz in vielen Bereichen des kirchlichen Lebens. Sie wollen aus der Rolle der Nur-KonsumentInnen heraustreten und engagiert mitarbeiten. Dazu wünschen sie sich Pfarrerinnen und Pfarrer, die begleiten ohne zu gängeln, die nicht nur Aufgaben delegieren, sondern selbst Zuhören lernen und Macht abgeben können.
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