Der Direktor der Breslauer Königlichen Kunst- und Gewerbeschule Hans Poelzig, ein universal talentierter Architekt, der mit dem Verband Deutscher Künstler zusammenarbeitete und Erfolge sowohl im Entwerfen monumentaler Bauwerke als auch Möbel vorzuweisen hatte, gab auch den Anstoß zur Errichtung einer Holz-, Metall- und Steinwerkstatt, ebenso wie für die erwähnte Werkstatt für künstlerische Textilien. Seine Ideen entwickelte er dank der Zusammenarbeit mit berühmten Pädagogen und Künstlern. Darunter auch mit dem Maler und späteren Entwerfer von Gobelins und Leiter der Textilwerkstatt Max Wislicenus wie auch der Heldin der vorliegenden Schrift, der Malerin und Mitbegründerin der Werkstatt Wanda Bibrowicz, die mit Gertrude Daubert zusammenarbeitete. Zum Kreis der Erneuerer gehörten darüber hinaus der Bildhauer Theodor von Gosen, der Maler und Graphiker Carl Ernst Morgenstern.
Die Einrichtung der Textilwerkstatt fiel Max Wislicenus zu. Er nahm die Aufgabe unter der Bedingung an, daß durch sie die moderne Textilkunst zu Wort kommt. Er interessierte sich nämlich selbst für Gobelins, allerdings nicht für den französischen Typus, in dem eine Arbeitsteilung zwischen Kartonist und Weber vorherrschte, auch nicht für den in Deutschland (z.B. in kleinen Berliner Manufakturen) vorherrschenden Typus. Der Künstler sprach sich für eine andere Formel aus, in der "der Künstler Weber und der Weber Künstler war".
Im Jahr 1904 organisierte man schließlich in der damaligen Breslauer Königlichen Kunst- und Gewerbeschule eine künstlerische Textilwerkstatt. Sie stand von nun an für einen Neuanfang auf dem Gebiet der Webkunst. Professor Max Wislicenus schlug seiner ehemaligen Studentin die technische Leitung der Werkstatt vor, worüber er nach Jahren wie folgt berichtet: "Ich fragte meine kühle Schülerin Bibro, ob sie mir als technische Kraft beistehen wolle, obwohl ich wußte, daß sie Porträtmalerin werden wollte. Sie sagte zögernd zu ..."
Beide begannen mit den schwierigen Vorbereitungen, obwohl sie auf diesem Gebiet noch keine Erfahrungen gesammelt und Vorbilder hatten. Sie entschieden sich für einen eigenen Weg. Sie vertieften ihr Wissen, indem sie Sammlungen berühmter Museen und Werkstätten in Berlin, München, Nürnberg, Passau, Kopenhagen und Stockholm studierten. Wanda Bibrowicz studierte zusätzlich in München und Berlin, wo sie ihre Webtechnik weiterentwickelte. Die so gesammelten Erfahrungen im Entwerfen und in der Technologie des Gobelins erlaubten beiden, eine neue Theorie auszuarbeiten, die zur Grundlage ihrer weiteren pädagogischen Arbeit wurde. Als Vorbild für die spätere Arbeit wurden die gotisch- und renaissanceorientierten Tapisserien, bei denen das Nebeneinander menschlicher Gestalten und der Flora und Fauna wie auch die unnachahmliche Farbgebung die Hauptakzente ausmachten, gewählt. Werke, die im Einklang mit dieser schwierigen Gobelintechnik entstanden, bildeten reiche Bilder legendärer Ereignisse ab. Sie waren Beispiele einer engen Verbindung zwischen Entwerfer und Weber und konnten daher das Licht der Öffentlichkeit als Kunstwerke erblicken. Die Tapisserien wurden zur Glanzverleihung für bestimmte Innenräume entworfen und angefertigt.
Nach Jahren erinnert sich Max Wislicenus an die Anfänge der gemeinsamen Arbeit mit Wanda Bibrowicz in der Breslauer Königlichen Kunst- und Gewerbeschule: "Wir fingen an, wie die alten Aegypter angefangen haben mögen, nur in größerem Ausmaß und in gröberem Material mit streng linearen Formen und wenigen einfachen Farben."
Literatur: