Das schönste deutsche Wort: Habseligkeiten

Deutscher Sprachrat:
Gewinner des Wettbewerbs "Das schönste deutsche Wort":
1. Platz: "Habseligkeiten"

Das Wort bezeichnet nicht den Besitz, nicht das Vermögen eines Menschen, wohl aber seine Besitztümer, und es tut dies mit einem freundlich-mitleidigen Unterton, der uns den Eigentümer dieser Dinge sympathisch und liebenswert erscheinen lässt.

Typischer Vertreter dieser Klasse von Eigentümern ist etwa ein 6-jähriges Kind, das den Inhalt seiner Hosentaschen ausbreitet, um sich am Reichtum, an der Vielfalt der geliebten Sammlung zu erfreuen.

Oder das Wort bezeichnet - die mehr vom Mitleid geprägte Variante - den spärlichen Besitz dessen, der sein Zuhause verliert und sein karges Hab und Gut für alle sichtbar transportieren muss, zu welchem Unterschlupf auch immer.

Nur schwer lässt sich das Wort im Singular vorstellen: Eine Habseligkeit? - So einfach ist die Seligkeit nicht zu erringen.

Vielfältig und wie zufällig muss die Ansammlung von auf den ersten Blick wertlosen Gegenständen sein, um das Prädikat der Habseligkeiten zu verdienen. Dabei muss sie aber zugleich für ihren Besitzer einen Wert darstellen, der sich aus seinem individuellen seelischen Erleben ergibt und für Außenstehende nicht leicht erkennbar ist.

Lexikalisch gesehen verbindet das Wort zwei Bereiche unseres Lebens, die entgegengesetzter nicht sein könnten: das höchst weltliche Haben, d. h. den irdischen Besitz, und das höchste und im irdischen Leben unerreichbare Ziel des menschlichen Glücksstrebens: die Seligkeit.

Diese Spannung ist es, die uns dazu bringt, dem Besitzer der Habseligkeiten positive Gefühle entgegenzubringen, wie sie gemeinhin den Besitzern von Vermögen und Reichtümern oder Eigentümern von Krempel, Gerümpel und Altpapier versagt bleiben.

Und wo sonst der Weg zum spirituellen Glück, zur Seligkeit also, eher in der Abwendung von weltlichen Gütern oder doch zumindest in der inneren Loslösung aus der Abhängigkeit von Weltlichem gesehen wird, so fassen wir hier die Liebe zu Dingen, allerdings zu den kleinen, den wertlosen Dingen auf als Voraussetzung zum Glück.

Doris Kalka - Deutschland

Aus der Diskussion bei Wikipedia

Da ich noch nicht mal bei Wiki angemeldet bin, will ich den Artikel nicht einfach korrigieren, sondern das hier erstmal anheim stellen.

Die Begriffserklärung ist IMHO (i.e. in my humble opinion) eindeutig falsch. Die einzige Bedeutung ist "Die Gesamtheit aller beweglichen Besitztümer eines Menschen (oder einer Gruppe)". Dabei wird das Wort zumeist dann verwendet, wenn die gemeinten Besitztümer sehr überschaubar sind und i.d.R. von einer Person oder in einem einzigen Transportmittel an einen anderen Ort gebracht werden können.

Diese Bedeutung taucht auch weiter unten in der Erklärung "Habsel" auf; also bin ich nicht der einzige, der das so sieht. Die verklärte Bedeutung, die auch zur romantisierten Begründung bei der Kür zum "schönsten deutschen Wort" herhalten musste, ist mir gänzlich unbekannt.

Martin, 02.11.06

Alle erwähnten Erklärungen zur Herkunft treffen nicht zu, also auch nicht die Jurybegründung. Das Votum ist zwar nachvollziehbar, die Begründung aber irreführend. In der Tat, so sei vorab festgehalten, wird Habseligkeiten heute meist spöttisch oder mitleidig, teils liebevoll im Sinne von spärlichem Besitz gebraucht. Das Wort armselig fällt einem dazu ein.

Eine Verkehrung ins Spöttische, Mitleidige haben auch die Worte Besitztum und Reichtum erfahren, indem ihr eigentlich unmöglicher Plural Besitztümer und Reichtümer gebildet wurde. (Der Vergleich mit Bistum sei hier vorgreifend verworfen.)

Ähnliches gilt für Habseligkeiten. Hierzu gibt es einen theoretischen Singular, die Habseligkeit, die nunmehr, wie bei Reichtum, nicht einzelne Dinge meint, sondern einen Zustand: habselig. Grimm weisen nach, daß selig sich von lat. felix = glücklich und von salus/salig = wohl herleitet. Die Bedeutung von selig ist also: beglückt mit, versehen mit etc. Eine Bestätigung findet sich in dem Wort beseligt, das heute leider in dem Wort beseelt aufgegangen ist. Beseelt heißt, von etwas erfüllt/angetrieben sein, beseligt heißt, mit etwas gesegnet zu sein, etwas in großem Umfang zu besitzen.

Also: habselig heißt, mit Habe beseligt, also wohl versehen zu sein mit Habe (vgl. leutselig et al.) Habseligkeit ist der Zustand dazu, und der Plural dazu ist die Diminutiv-/Pejorativbildung, die zum heutigen Sprachgebrauch geführt hat. (Siehe oben: -tümer.)

Die Begründung über Geschreibsel und Füllsel ist völlig absurd, weil sie zeitlich nicht weit genug zurückreicht. Es gibt zwar Grusel und Streusel, und sogar die Grausal (z.B. dieses Wiki-Artikels) aber es gibt keine Streusal. Mühsal gibt's, aber die Mühsel des Alltags gibt's nicht. Füllsel gibt's und Geschreibsel, das ist wahr, vor allem bei Wikipedia, aber hat man von Füllseligkeiten und Geschreibseligkeiten gehört? Diese Herleitungen müßten ja laut der Herleitung des hier kritisierten Artikels sich ergeben. Auch die Worte Habsel und Leutsel (von Habseligkeiten und Leutseligkeit) wären demnach korrekt hergeleitete Worte, aber was ist ein Habsel und was ein Leutsel???

Doch Sprache wandelt sich, warum auch nicht, etwa so: "Die Konferenzteilnehmer ergingen sich in Füllseln und Leutseln, das Geschreibsel der Regierung wies man ab. Allerdings würde jedes einzelne Saumsel (saumselig) geprüft, um den Verbleib der Habsel (Habseln?) zu klären."

Markus, 16.6.2009

Ich möchte, weil ich hier gerade vorbeischaue und seinerzeit die Diskussion um die Jury usw. ein wenig verfolgt habe, nur leise, aber deutlich darauf hinweise: Es gibt Grenzen der Argumentation mit der Etymologie, ganz generell! Vor allem ist es ein weit verbreiteter Laienirrtum, dem Linguisten allerdings manchmal Vorschub leisten, dass die alte, ursprüngliche Bedeutung die "eigentliche Bedeutung" eines Wortes ist. Eine "eigentliche Bedeutung", die der sprachhistorisch Unwissende nur nicht kennt. Das ist natürlich Unfug. Ein Wort bedeutet, was es zum Zeitpunkt X bedeutet. Wenn X = heute, dann geht es nur um die heutige Bedeutung und um nichts weiter. Ich sage das auch, weil ich schon zu viele Seminar-, Magister- und sonstige -Arbeiten z. B. über Werbesprache gelesen habe, die damit beginnen, dass gesagt wird: werban, mhd. drehen, bewegen, wenden. Das ist im Zusammehang mit Werbesprache heute nur Gelehrsamkeitsgerede, und man sollte solcherlei Belesenheitsnachweise wirklich weglassen. -- Was die Habseligkeiten angeht, da hat die Volksetymologie durchaus ihre Rechte. Allerdings, was eine Jury angeht, auch ihre Pflichten. Nämlich zu sagen: Obwohl wir wissen, wie sich das Wort etymologisch herleitet, nehmen wir doch den Klang und die Volksetymologie und sagen: 'Ein wunderbares Wort in Klang und heutiger Assoziation!' -- Ok, ok: Volksetymologie ist natürlich selbst mythenbehaftet. Denn das Volk etymologisiert nur selten und wenn, dann im Vorübergehen, hobbymäßig sozusagen. --Delabarquera (Diskussion) 16:27, 8. Jul. 2014 (CEST)

Wer je seine "sieben Sachen" packen musste, aus welchen Gründen auch immer, weiß, was "Habseligkeiten" sind, nämlich unsere bis zuletzt geschätzten Sachen, unsere "Schätze", mit denen wir selig werden wollen. "Nimm es - und werde selig damit", sagen wir manchmal. Muss erst ein Theologe kommen und Sprache erklären, wenn es um "selig" geht? Das hat mit Sozialromantik nichts zu tun, sondern mit dem, woran unser Herz hängt, unsere Habseligkeiten eben. Die germanistische Ableitung von "Habsel" ist abenteuerlich wegen des verbleibenden Restes "igkeiten". Wer glaubt denn so etwas, dass erst mit "ig" ein Adjektiv daraus wird und dann mit "keiten" ein Substantiv? Das wäre ja einmalig. Und von solchen Einmaligkeiten haben wir genug: Habsel, habselig, Habseligkeiten - das klingt ja wie: einmal, einmalig, Einmaligkeiten. Klingt gut, ist aber ziemlich sinnlos. Und man müsste es phonetisch auch ganz anders als gewohnt aussprechen: Habselig-keiten, mit kurzem "e". Nein, das geht nicht! Ich vertraue der gesprochenen Sprache - und die sagt Hab-seligkeiten, mit langem "e". Ich packe also weiter meine Schätze, meine sieben Sachen, meine Habseligkeiten ein - und werde selig damit. Im Umzug begriffen grüßt --Egonist (i.e. Peter Godzik) 08:34, 27. Mär. 2022 (CEST)