Der eigene Trauerweg
Dieses Handbuch nimmt uns zunächst in die tiefe Betroffenheit der Trauernden hinein und möchte uns erinnern an das, was wir in ähnlichen Situationen als Erstes getan haben, wie die weiteren Wegstationen hießen und wohin sich allmählich der Weg entwickelte: rufen, gar schreien, und fragen; bedenken und endlich erkennen.
Es kann sein, dass wir auf manchen Wegstrecken nur langsam vorankamen, an manchen Raststationen lange verweilten und auch Schritte wieder zurückgehen mussten, um mit neuem Schwung und neuen Kräften einen neuen Anlauf zu wagen: uns weiterzuentwickeln, uns aus dem Stillstand zu lösen.
Trauerwege (Michael Schibilsky) werden nie leicht, schnell und einfach beschritten. Es gibt immer schwierige Wegstrecken, Rückschläge, Hemmnisse, neue Aufbrüche. Aber nach angemessener Zeit - Zeit, die wir für uns selbst und unsere Trauerarbeit brauchen - kann es sein, dass wir wieder danken, segnen und geben können.
Vorwort
Trauer ist keine Krankheit, sondern eine ganz natürliche Reaktion auf schmerzliche Verluste. Trauer braucht Ausdruck, damit sie uns nicht blockiert und festhält auf dem Lebensweg.
Dieses Buch ist eine Einladung, der eigenen Trauer zu begegnen. Es beschreibt eine Wegstrecke mit acht Wegerfahrungen, die geeignet sind, der eigenen Trauer standzuhalten, sie Schritt für Schritt tiefer und besser zu verstehen und am Ende umzuwandeln in Impulse für neues Leben. Wenn es gelingt, die Schritte tapfer und mutig zu setzen und den eigenen Trauerweg zu gehen, könnte am Ende die Kraft wieder wachsen, das Leben neu schätzen zu lernen. Insofern ist dieses Buch ein Weg des Lernens im eigenen Leben.
Darüber hinaus ist es geeignet, künftigen Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleitern die Trauer der Trauernden (auch die eigene!) wieder näher zu bringen, um aufmerksam und einfühlsam begleiten zu können.
In dem Projekt "Sei nahe in schweren Zeiten - Handreichung zur Vorbereitung Ehrenamtlicher in der Trauerbegleitung" stellt dieses Buch das Material für den Grundkurs dar. Wir lernen daran, aufmerksam zu werden, ehe wir andere begleiten.
Für Anregungen und erste Erfahrungen in der Weitergabe des Grundkurses danke ich Gerlinde Martins, Schwerin, und Barbara Wilkens, Husum.
Schleswig/Rendsburg, im Juni 2011 Peter Godzik
Erfahrungen auf dem Trauerweg
Den Verlust eines geliebten Menschen erleben Trauernde wie einen Schicksalsschlag - sie können sich nicht wehren, es kommt über sie, sie sind dem Geschehen zunächst vollkommen passiv ausgeliefert. Aber jede Betroffenheit drängt zu Ausdruck und Handeln - wir können nicht einfach nur noch stumm und still dasitzen. Täten wir es, wie es z.B. von David in seiner schweren Trauer berichtet wird, dann würden wir dem Verlorenen hinterher sterben. Aber der Lebensimpuls in uns sorgt dafür, dass wir atmen, dass wir wachen und schlafen, dass wir essen und trinken, dass wir schweigen und reden, dass wir aufstehen und gehen. Es dauert manchmal lange, bis sich der erste Impuls zum Handeln aus der Lähmung löst. Aber dann spüren wir, wie das Leben in uns sich wieder regt, wir genötigt sind, etwas zu tun.
Klagen und Trauern heißt zunächst Stehenbleiben im Leben - getröstet und geheilt werden wir erst durch Gehen und Bewegen. Am Ende können wir vielleicht wieder tanzen. Unsere Schritte auf dem Weg und in der Bewegung folgen dabei im Abmessen und Wiegen dem eigenen Rhythmus.
Die Schrittfolgen, die wir in diesem Handbuch vorschlagen, haben sich bewährt, gegangen werden müssen sie auf eigenen Füßen im eigenen Schritttempo. Dabei sind wir nicht allein, sondern gehalten und getragen von einer Gemeinschaft: da sind Angehörige und Freunde, Mitglieder einer Gemeinschaft oder Gemeinde. Wir gehen Lebenswege gemeinsam, wir sind miteinander verbunden in menschlicher Solidarität: in der Gruppe mit gleichen oder ähnlichen Erfahrungen und mit der Verabredung, uns miteinander auf den Weg zu machen und dabei voneinander zu lernen.