Gobelins der Dresdener Periode
Trotz dieser [inflationsbedingten] Schwierigkeiten zeigte Wanda Bibrowicz immer Optimismus, anhaltenden Enthusiasmus und war in ihrer künstlerischen Leidenschaft unermüdlich. In dieser Periode schuf sie weitere neue Arbeiten. Zu den größeren gehört "Der Sächsische Wandteppich" aus dem Jahr 1921, der für die Sächsische Regierung hergestellt wurde. Leider ist er seit der Zerstörung Dresdens (1945) verschollen. Ebenfalls 1921 entstand für die Hochschule der Forstwirtschaft in Tharandt der dreiteilige Wandteppich "Der Heilige Hubertus". Der Gobelin stellt den Heiligen an einen Baum gelehnt zwischen weißen Vögeln und in Begleitung von Hunden unter hohen Tannen dar. Ein anderer Gobelin - "Der Rathaus'sche" - für das Rathaus in Plauen (Vogtland) aus dem Jahr 1929 [Katarzyna Sonntag: 1921] zeugt ebenso von der hervorragenden Fähigkeit, Tiergestalten darzustellen.
Neben diesen großformatigen Auftragsarbeiten schuf die Künstlerin auch kleinere Gobelins, in denen sie zu ihrer beliebten schlesischen Tierthematik zurückkehrte. Aufmerksamkeit sollte insbesondere die Arbeit "Fliegende Reiher" erwecken, die Anfang der zwanziger Jahre entstand und zu ihren wichtigsten Werken gezählt wird. Meisterhaft wurden die jeweiligen Partien des Gobelins entwickelt, wie die in orange-gelben Tönen gehaltenen Wolken, die Mondsichel in glänzendem mattem Silber oder die Flügel und Federn der fliegenden Vögel. Der Bewegungsreichtum wurde direkt der Natur entnommen. Bewundernswert sind die feinen Details, wie die verschiedenen Stellungen der Krallen, die fließenden Übergänge zwischen den Farben, die den Eindruck von Wellenbewegungen erzeugen, und der dabei erhaltenen starken Kontur der über den heiteren Farben des Horizonts fliegenden Vögeln. Im Gobelin "Der Weiße Hirsch" (1920) erzeugte sie eine subtile Symphonie der Farben, welche die Anmut des Waldes in stimmungsvollem Blau, Grün und Braun zeigt. Gleich nach der Herstellung wurde die Arbeit von einer Privatperson erworben.
"Die Jagd" (1921), "Waldmärchen" (1930) sind spätere, in einer ähnlichen Konvention gehaltene Arbeiten der Künstlerin. In allen erwähnten Werken beobachten wir ein vollkommenes Zusammenspiel der Zeichnung, des Rhythmus, der Farbgebung und der immer neu zu entdeckenden Schönheit der Details. Dr. Felix Zimmermann schreibt in seinem Artikel in "Dekorative Kunst" über die Künstlerin: "Es lebt ein Poet in Wanda Bibrowicz, der ein Bilderbuch voll Naturalien und entrückten Gestaltenzaubers an die Wände webt."
Im Interview für die "Dresdener Nachrichten" sagte die Künstlerin selbst (September 1930): "Der Wandteppich wird in kommenden Jahren mehr denn je begehrt werden. Stellen Sie sich die moderne Sachlichkeit vor, die heute ihren Ausdruck in kahlen Wänden findet. Auf die Dauer kann das der Mensch nicht ertragen. (...) Er braucht Wandteppiche!" Diese Überzeugung war nicht selten der Anlass, der sie zur weiteren Arbeit anspornte.