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Urteil des BVG

Urteil vom 26. Februar 2020
2 BvR 2347/15, 2 BvR 2527/16, 2 BvR 2354/16, 2 BvR 1593/16, 2 BvR 1261/16, 2 BvR 651/16

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen. Die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren. Mit dieser Begründung hat der Zweite Senat mit Urteil vom heutigen Tage entschieden, dass das in § 217 des Strafgesetzbuchs (StGB) normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung gegen das Grundgesetz verstößt und nichtig ist, weil es die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert. Hieraus folgt nicht, dass es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen untersagt ist, die Suizidhilfe zu regulieren. Er muss dabei aber sicherstellen, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt.

Ärztekammern

In einigen Bundesländern droht Medizinern, die Menschen bei der Selbsttötung helfen, etwa indem sie ihnen ein entsprechendes Medikament überlassen, ein Berufsverbot nach dem ärztlichen Standesrecht. In anderen Ländern dagegen werden diese Ärzte behandelt wie alle anderen Menschen in der Bundesrepublik derzeit auch: Sie dürfen das. Es droht ihnen keine Sanktion, weder nach dem Strafrecht noch nach den jeweiligen Berufsordnungen für Ärzte. Letztere erlassen die in dieser Frage autonom agierenden Landesärztekammern. In der aktuellen Debatte um eine Reform der Sterbehilfe in Deutschland wurde dies bislang ausgeblendet.

Danach riskiert seine Approbation, wer in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen oder Thüringen einem Patienten beim Suizid assistiert und dabei erwischt wird. In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein dagegen existiert kein explizites Verbot des ärztlich assistierten Suizids. Folglich riskieren Ärzte dort auch keine berufsrechtlichen Konsequenzen, wenn sie entsprechend helfen.

Besonders prekär ist die Lage in Nordrhein-Westfalen, wo es gleich zwei Ärztekammern gibt: Die Kammer Nordrhein schreibt ihren Ärzten in Paragraf 16 ihrer Satzung kategorisch vor: "Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten." Die Ärztekammer Westfalen-Lippe dagegen fordert, ebenfalls in Paragraf 16 der Berufsordnung, von ihren Ärzten lediglich: "Sie sollen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten." In der Praxis heißt das: Ein Patient mit Sterbewunsch aus Köln etwa dürfte es aufgrund der dem Arzt dort drohenden Konsequenzen ungleich schwerer haben, einen ärztlichen Helfer zu finden, als beispielsweise einer aus Münster. (taz.de vom 26. Februar 2014) 

Ärztlich begleiteter Suizid

2024

2023

  • Bundestag lehnt Gesetzentwürfe zur Reform der Sterbehilfe ab. Der Bundestag hat am Donnerstag, 6. Juli 2023, zwei Gesetzentwürfe von fraktionsübergreifenden Gruppen über eine Neuregelung der Suizidhilfe mehrheitlich zurückgewiesen. Einen gemeinsamen Antrag beider Gruppen mit dem Titel "Suizidprävention stärken" (Drucksache 20/7630) nahm das Parlament hingegen mit 692 Ja-Stimmen bei einer Nein-Stimme und vier Enthaltungen an.

2022

2021

2020

  • Urteil des BVG: Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig. Pressemitteilung Nr. 12/2020 vom 26. Februar 2020.

2017

2015

2014

2013

2012

2011

2010

  • Matthias Kamann, Gegen das Schweigekartell. Der Berliner Arzt Michael de Ridder plädiert als erster leitender Mediziner in Deutschland für die Hilfe beim Suizid. Artikel vom 20. März 2010.
  • "Was ist so schlimm am Sterben?" Der Rettungsmediziner Michael de Ridder über seine Erlebnisse mit Todkranken, die Lebens-erhaltung um jeden Preis und die ärztliche Beihilfe zum Suizid. Interview vom 22. März 2010.
  • Bekommen die Niederlande "zertifizierte Selbstmord-AssistentInnen"? Meldung vom 7. Juli 2010.
  • Berliner Arzt für Sterbehilfe in Extremfällen. Meldung vom 21. Juli 2010.
  • Dr. de Ridder ist nicht allein - über 30 % der Ärzte können sich Suizidbeihilfe vorstellen. Meldung vom 21. Juli 2010.
  • Markus Fels, Suizid-Assistenten in Weiß. Artikel im Rheinischen Merkur vom 22. Juli 2010.
  • "Wer helfen will, kann das tun". Interview mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, über die wachsende Zustimmung der Mediziner zur Sterbehilfe und das Selbst-bestimmungsrecht der Patienten in SPIEGEL-Online vom 22. Juli 2010.
  • Michael de Ridder, Letzte Hilfe. Wir müssen Todkranken die Macht über ihr Leben geben. Ein Plädoyer für die ärztliche Beihilfe zum Suizid. Artikel in ZEIT-Online vom 26. Juli 2010.
  • Eckhard Nagel, Dem Schutz des Daseins verpflichtet. Die ärztliche Beihilfe zum Suizid ist keine menschliche Zuwendung. Dies zu verwechseln hätte dramatische Konsequenzen. Artikel in ZEIT-Online vom 30. Juli 2010.
  • Matthias Kamann, Der Tod eines Managers und die Akzeptanz des Suizids. Artikel vom 11. September 2010.
  • Bundesärztekammer vor Kurswechsel. Hoppe: PID-Verbot fällt, Vorschrift zur assistierten Selbsttötung wird geändert. FAZ-Meldung vom 27. Dezember 2010.

vor 2010