Ernst Berger (1882-1970)
Ernst Berger (* 24. April 1882 in Dresden; + 22. Juni 1970 in Hilbersdorf) war ein deutscher Kunstmaler und Zeichner. Er lebte ab 1919 als freischaffender Künstler in Sohra und schuf neben Landschaftsbildern auch viele Porträtzeichnungen erzgebirgischer Menschen.
Kindheit und Jugend
Christian Wilhelm Ernst Berger wurde am 24. April 1882 als zweiter Sohn des Handelsschullehrers an der Höheren Handelslehranstalt für Mädchen, August Theodor Johannes Berger, und dessen Ehefrau Emma Wilhelmine (Minna) Elisabeth, geb. Schreib, in Dresden, Blochmannstraße 4, geboren. Er hatte fünf Geschwister: Johannes, Friedrich, Sophie, Henriette und Blanka.
Ernst Berger war schon als Kind sehr musikalisch. Er spielte anfangs nach Gehör, später nach Noten, klassische Musik auf seiner Geige, die er von seinem Vater geschenkt bekommen hatte. Ob er die Noten von seinem Vater oder einem Musiklehrer erlernte, ist nicht bekannt. Er musizierte regelmäßig mit dem Vater. Dieser spielte Klavier, Bruder Johannes Cello und Ernst Violine. Sein Vater spielte zudem auch in einem Quartett. Oft fuhr Ernst Berger mit dem Rad, die Violine auf dem Rücken, um Freunde zu besuchen und um mit ihnen zu musizieren.
Die Geige, die er später besaß und besonders in Ehren hielt, hatte er selbst entdeckt und "gerettet". Als er wieder mal bei jemandem zu Besuch war, sah er, wie Kinder mit einem seltsamen Gegenstand aus Holz im Sandkasten spielten. Er sah sich dieses "Ding" an und erkannte, dass es der Boden einer Geige war. Er durfte ihn an sich nehmen und ließ von einem Geigenbauer den Deckel und den Steg dazu anfertigen. Auch später arbeitete er viel mit einem Geigenbauer aus Pirna, Herrn Saalbach, zusammen, um den Steg, die "Seele" der Geige, immer wieder zu verbessern. Nach und nach erhielt diese Geige einen wunderbaren Klang. Seine "Stradivari", wie er sie liebevoll nennt, war später sein ständiger Begleiter. Er liebte Hausmusik und pflegte sie auch.
Schon als Kind und Jugendlicher zeichnete Berger sehr gern. Beim Durchstreifen der Gegend fing er kleine Tiere mit einem Glas ein, um sie zu Hause genau zu betrachten und zu zeichnen. Dabei konnte es schon einmal passieren, dass er die Zeit und auch das Essen vergaß. Mit 13 Jahren zeichnete er bereits sehr gekonnt seinen Vater.
Studium und Wehrdienst
Nach der Schulausbildung an einem Gymnasium in Dresden begann er um 1900 sein Studium in "Grafik und Landschaftsmalerei" an der Dresdner Kunstakademie, heutige Hochschule für Bildende Künste, auf der Brühlschen Terrasse. Sie ist eine der bedeutendsten Kunsthochschulen Europas. Ihr Ruf wurde durch bekannte Namen wie Gottfried Semper und Ludwig Richter noch gefestigt. Ernst Berger war Meisterschüler des geachteten Landschaftsmalers Professor Eugen Bracht, der wiederum Meisterschüler des bekannten spätromantischen Malers und Zeichners Adrian Ludwig Richter war.
Um 1910 erhielt er für seine außergewöhnlichen Leistungen den Rom-Preis der Kunstakademie Dresden. Berger trat die Rom-Reise gemeinsam mit seinem Freund und Mitstudenten Jakob Weinheimer aus Dresden-Langebrück an. Beide nutzten die Zeit zu Studien- und Arbeitszwecken. Die dortige Landschaft inspirierte sie zu neuen künstlerischen Ausdrucksformen.
Im Ersten Weltkrieg wurde Ernst Berger zum Wehrdienst eingezogen. Er war in den Karpaten und in Frankreich stationiert. Eigentlich war er Kriegsgegner. Um nicht an Kriegshandlungen teilnehmen zu müssen, stellte er sich noch ungeschickter an, als er es in praktischen Dingen sowieso war. So wurde ihm das Zeichnen von Feldpostkarten (hinter der Front) übertragen, die die Soldaten käuflich erwerben und ihren Angehörigen nach Hause schicken konnten. Er zeichnete ausschließlich "Ortslagen", so auch Landschaften aus der Gegend um die Lorettohöhe in Nord-Frankreich, keine Kriegshandlungen. Dazu bestieg er auch mal Bäume, um eine bessere Sicht auf die Dinge, wie Schützengräben, zu haben. Ihm war es immer wichtig, alles von einem künstlerisch vertretbaren Standpunkt aus zu zeichnen. Die skizzenhaften Zeichnungen wurden gedruckt und in Postkartenformat in Heftchen à 10 Stück zum Kauf angeboten. Er fertigte auch Porträts von Soldaten in Postkartenformat an.
Wohnort, Eheschließung und Kinder
Das Haus in Sohra Nr. 14 hatte bereits seit Jahren der Vater von Ernst Berger als Feriensitz für seine Familie gemietet. Sonst war es unbewohnt. Sein Besitzer war seit 1918 Karl Heinrich Hermann Schmidt aus Hermsdorf/Erzgeb. In der Chronik von 1882 wird berichtet, dass das Haus (wahrscheinlich auch das Nebengebäude) 1646 vom Schmied Caspar Teucher neu errichtet wurde. Demzufolge könnte das Gebäude vor dem Haus einst eine Schmiede gewesen sein.
Ernst Berger hatte ursprünglich nicht die Absicht, das Haus Nr. 14 zu kaufen. Er wollte es als "Bleibe" nutzen, wenn er in der Umgebung auf Motivsuche war. Der Besitzer Schmidt wollte das Haus aber 1919 verkaufen. Da Ernst Berger die idyllische Lage des Hauses gefiel, willigte er in den Kauf ein. So kam es am 3. April 1919 zum Kaufvertrag für das Haus mit einer Gesamtfläche von 0,494 ha - mit allen Nutzungen, Rechten und Lasten zum Gesamtpreis von 10.000 RM. 5.000 RM wollte der Käufer E. Berger am 15. April 1919 - am Tag der Übergabe - bezahlen. Die restlichen 5.000 RM wollte der Käufer als "erste Hypothek" auf die Zeit von 5 Jahren stehen lassen. Es ergab sich, dass ein ihm bekannter höherer Offizier der Armee von Ernst Berger porträtiert werden wollte und ihn nach dem zu zahlenden Betrag fragte. Ernst Berger nannte ihm die noch fehlende Summe von 5.000 RM. Er erhielt diese Summe und konnte somit die Restschuld seines Hauses begleichen.
Am 8. Mai 1920 schloss der Kunstmaler Christian Wilhelm Ernst Berger im Standesamt Oberbobritzsch mit der Kontoristin Anna Bertha Gutte (* 5. November 1894 in Langebrück bei Dresden) den Bund der Ehe. Ihren gemeinsamen Wohnsitz hatten sie in Sohra Nr. 14.
Beide Töchter, Gabriele Johanna (* 2. März 1921) und Erika Johanna (* 16. März 1925), wurden in Sohra geboren. Seit der Geburt seiner Kinder führte Berger Tagebuch, worin jeder Tag und jede Begebenheit akribisch genau festgehalten wurde. Darin war sicher auch manches Stück Dorfgeschichte von Sohra enthalten. Leider sind diese Tagebücher nicht mehr vorhanden.
Arbeitsschwerpunkte
Den Lebensunterhalt für sich und seine Familie erarbeitete Ernst Berger durch Auftragsmalerei. Er selbst sah sich vor allem als Landschaftsmaler. Porträts zeichnete er vorwiegend, um Geld zu verdienen (1 Porträt für 2 RM). Wenn das Geld für seine Familie nicht ausreichte, verkaufte er auch schon mal Schnürsenkel und Strümpfe.
Sein Atelier richtete er im ehemaligen "Heusack" seines Hauses ein. Er wurde extra für diesen Zweck umgebaut, so dass ihm darin auch Oberlicht zur Verfügung stand. Der Raum besaß keinen Ofen.
Wenn die Familie Berger ihre Sonntagsspaziergänge machte, nahm sie einen kleinen grünen Leiterwagen mit. Auf ihm befanden sich das Picknick und die Staffelei. War ein Kind des Laufens müde, fand es darauf auch noch Platz.
Ernst Berger hatte immer Papier und Bleistift dabei, um die Landschaft, die sich ihm gerade bot, auf Papier zu verewigen. Während sich Ernst Berger dem Zeichnen widmete, sammelten seine Frau und die Kinder Beeren, Pilze oder Blumen.
Auftraggeber seiner Bilder waren z. B. der Schauspieler Viktor de Kowa, der eine Elfenbeinminiatur bei ihm bestellte, auf der seine damalige Verlobte, die österreichische Schauspielerin Luise Ullrich, abgebildet war. Die Mutter von Viktor de Kowa, Lotte Kowarzik aus Dresden, pflegte nach dem Tod ihres Mannes bis zu ihrem Umzug nach Berlin zu Berger einen freundschaftlichen Kontakt. Er besuchte sie in Dresden, wenn er Malutensilien einkaufte. Sie hätte ihn nach dem Tod seiner Frau gern geheiratet. Er wollte aber nicht wieder heiraten.
Weitere Aufträge erhielt er z. B. vom Oberpostdirektor Eduard Heeger aus Dresden. In Sohra ließen viele Einwohner Gemälde ihrer Höfe, Wirtschaften und Häuser, aber auch Porträts von sich oder Angehörigen anfertigen. Dafür nahm er gern Naturalien in Zahlung. Auch seine Freunde Margarete Neubert und Friedrich Hermel aus Frauenstein bzw. Kleinbobritzsch profitierten von dieser Begabung.
Für das Kreiskulturhaus Freiberg "Tivoli" fertigte er ein Gemälde mit dem Titel "Bleierzgruben" an. Darauf wurde die für die Freiberger Region typische Arbeit in den Hüttenbetrieben dargestellt.
Ein lebensgroßes Gemälde von Frl. Mulert, Tochter des bekannten Theologen Hermann Mulert aus Niederbobritzsch, befindet sich im Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg, am Dom. Sie leitete viele Jahre das Kunstgewerbegeschäft "Dürerhaus" am Freiberger Obermarkt.
Weniger bekannt ist, dass Berger auch Bücher illustrierte, wie etwa zwei Eduard-Mörike-Erzählbände, das Lesebuch für das 6. Schuljahr im Vogtland Für Geist und Herz und das Liederbuch für Kinder Sang und Klang fürs Kinderherz.
Zu seinen Aufträgen gehörten auch große Wandmalereien sowie ein Stundenplan für ein Elektrizitätswerk. Für ein Restaurant bemalte er die Stuhllehnen mit unterschiedlichen Motiven.
Für das Kirchenblatt von Oberbobritzsch entwarf er 1924 das Titelblatt. Als der Friedhof an der Kirche von Burkersdorf bei Frauenstein umgestaltet und erweitert werden sollte, fertigte Berger 1931 die Entwürfe für die künftige Friedhofsanlage an. Sie schmücken noch heute die Wände des dortigen Kirchenarchivs.
Er illustrierte auch Faschings- und Hochzeitszeitungen oder fertigte Plakate für Vereine an. Eine Vielzahl von Gebrauchsgrafiken sind von ihm überliefert.
Die Schüler der Sohraer Schule gestalteten fast jährlich um die Weihnachtszeit einen Abend, an dem sie ein Märchenstück im Saal des Gasthofes aufführten. Den Saal füllten dann viele Gäste aus Sohra und Umgebung. Die Kulissen für die Bühne waren von Ernst Berger gestaltet und auch die musikalische Umrahmung wurde von ihm vorgenommen. Selbst der neue Stempel für die Gemeinde wurde 1947 von ihm entworfen. Er stellte die Symbole von Sohra dar: das "Eichenpaar" auf Sohraer Flur, Feld mit Ackerpflug und Ähren zwischen dem Ortsnamen.
Bei ihm lernten auch viele Kinder aus Sohra, ein Instrument zu spielen und Noten zu lesen.
Als Tochter Gabriele als Kind Klavierspielen lernen sollte, besaß die Familie noch kein Klavier. Ernst Berger wusste sich zu helfen. Er zeichnete die Tastatur eines Klaviers auf Karton, so dass er sie schon in die Anfänge des Klavierspielens einführen konnte. Er sang die Töne, die seine Tochter auf dem Kartonstreifen anschlug. Ob er dabei auch "falsche" Töne sang, wenn sie angeschlagen wurden, ist nicht überliefert. Später erhielt sie Klavierunterricht bei Lehrer Süß.
Es zeigte sich bald, dass sie sehr musikalisch war. Bei Festlichkeiten im Ort trat sie gemeinsam mit ihrem Vater auf. Sie spielte Klavier und er begleitete sie auf der Geige. So war es kein Zufall, dass sie Ende der 1950er Jahre, als sie eine Ausbildung zur Volksschullehrerin absolvierte, als Wahlfach "Musik" wählte. Außerdem nahm sie noch Orgelunterricht.
Auch seine Tochter Erika war künstlerisch sehr begabt, spielte Musik und übte sich ebenfalls in Malerei.
Leben in nationalsozialistischer Zeit
Während der NS-Zeit schrieb Ernst Berger einen persönlichen Brief an Hitler, worin er ihm versuchte klarzumachen, dass seine Ideologie falsch sei. Dieser Brief muss wohl in einem Vorzimmer im Papierkorb gelandet sein, sonst hätte er für Ernst Berger fatale Folgen gehabt.
Berger nahm auch nicht alles hin, was seine Kinder in der Schule lernten. So stellte er den Lehrer schon mal zur Rede, dass diese oder jene Auslegung nicht richtig sein könne. Von "höherer Stelle" erhielt er dann mitunter die Bestätigung, dass der Text falsch wiedergegeben worden sei und richtig so und so laute.
Dem nationalsozialistischen Künstlerbund trat er nicht bei und hatte infolgedessen keine geregelte Arbeit. So musste er 1939 mit 57 Jahren Kriegsdienst leisten, indem er in Pretzschendorf zum Planieren des Flugplatzes eingesetzt wurde. Diese schwere körperliche Arbeit war er nicht gewohnt und sie fiel ihm nicht leicht.
Die schwerste Zeit stand die Familie wohl während der Krankheit von Frau Anna Berger in der Zeit von 1937 bis 1939 durch. Sie wurde bettlägerig, und Ernst Berger kümmerte sich aufopferungsvoll um sie. Die Kinder lernten frühzeitig, Pflichten im Haushalt zu übernehmen. Von 1937 bis 1939 erhielt die Familie Unterstützung durch Schwester Suse Lehmann (* 1922) in Oberbobritzsch. Sie versorgte und betreute Anna Berger auf gesundheitlichem Gebiet und führte den Haushalt der Familie Berger. Dafür erhielt sie monatlich 20 RM. Gegen Ende ihres Lebens konnte die Pflege von Anna Berger in häuslicher Umgebung nicht mehr gewährleistet werden. Deshalb kam sie ins Pflegeheim nach Hilbersdorf, wo sie am 1. April 1939 im Alter von nur 45 Jahren verstarb. Woran, erfuhr die Familie nicht. Erst später, als die Symptome einem Ärzteteam beschrieben wurden, stellte ein Arzt spontan die Diagnose "Multiple Sklerose" (MS) - eine heimtückische Nervenkrankheit. Beweisen ließ sich das aber nicht mehr. Anna Berger fand auf dem Friedhof in Oberbobritzsch ihre letzte Ruhestätte. Ihre Kinder erinnerten sich noch, dass sie sich, an ihrem Grab stehend, unendlich verloren gefühlt hätten.
In der Dresdner Zeitung erschien am 15./16. Mai 1943 ein Artikel nach erfolgter Frühjahrsausstellung unter der Überschrift: "Mit den Augen des Naturfreundes und Poeten. Landschaften von Alfred Thomas und Ch. W. Ernst Berger im Kunstverein":
"Die Landschaft ist wieder das vorherrschende Element der neuen Frühjahrsausstellung. Wieviel freundliches Naturgenießen dem Beschauer die schlichte Naturbetrachtung vermittelt, bezeugt die umfangreiche Sammlung von Alfred Thomas, der damit zum ersten Male einen umfassenden Überblick über seine Landschaftsmalerei im Zeitraum von etwa 15 Jahren bietet. Seine Auffassung ist seit Jahren wohlbekannt und gibt seinen verschiedenen Bildwerken ihr gemeinsames Gepräge: ein beschaulicher Realismus, der weniger dem Gegenständlichen, als vielmehr der Stimmung zugewandt ist, den Stimmungen der Tages- und Jahreszeiten, wie sie seinen Augen sich darbieten, dem Atmosphärischen, der Landschaft, in umflorten Luftglanz, der Nähe und Ferne umwebt, in weichem Sonnenschein, der alle Dinge umglänzt und umfließt. Es ist ein unbefangenes einfaches Schauen, der Neigung Folgen, dem Eindruck Nachgeben ...
Eine andere Auffassung liegt den Bildwerken von Ch. W. Ernst Berger-Sohra zugrunde, der mit Landschaftsbildern und verschiedenen graphischen Arbeiten und Studien einen fesselnden Einblick in sein vielgestaltiges Lebenswerk gewährt. Berger, der 1882 in Dresden geboren, ist durch die Schule von Eugen Bracht gegangen, auf dessen Anregungen etwa die realistische Eindringlichkeit und sorgsame Gruppierung der Licht- und Schattenmassen deuten, sofern sie nicht den eigenen Trieb bestärkten und seiner inneren Anschauung entsprachen. Mit tiefer Hingabe und grüblerischer Versenkung suchte er, die Erscheinungsformen zu ergründen, die Form- und Flächengebilde, den Rhythmus der Linien, Perspektive und Raumtiefe, um schließlich alle Elemente auf einen gemeinsamen Nenner der bildlichen Ebene in eigenem Stile zu vereinigen. So wurde die große Federzeichnung der "Waldrand" mit ihrem vielfältigen Baumschlag ein fruchtbares Studienobjekt zum Formerkennen und eigentümlichen Gestalten, zugleich ein Wegweiser zu erhöhter Wirklichkeit und intimer Naturschilderung. Denn dem vortrefflichen Zeichner folgte mit gleichem Ringen der Maler in Ergründung des Licht- und Luftproblems. Auch hier fand der Künstler im farbig-tonigen Ausdruck die eigene Note der lyrisch-romantischen Stimmung, die seine Bilder erfüllt. Mit der Eigenheit des Poeten übte er an den schlichtesten Motiven seine malerische Phantasie. Die Ebene des Mittelgebirges mit Büschen und Wiesen und hohem Himmel, sommerliche Felder, weiträumige Täler und sanfte Mulden mit schmalen Feldwegen, Fernblicke von einsamen Höhen sind ihm vertraute Gegenden, am liebsten in den warmen Tönungen der grünen Monate, im schimmernden Glanze des sinkenden Tages. Mit der Fülle stofflicher Einzelheiten in Boden und Baumwerk und fühlbarer Räumlichkeit erhebt sich das Talbild der Jagdgründe in klangvoller Ruhe zu erhabener Größe. So wächst auch in dem Maigewitter über weiten, hell aufleuchtenden Feldern und Häusern unter düster grauem Himmel das Poetische aus der Farbe selbst heraus. In solchen ausgereiften Landschaften ist jeder Zug studiert und ergründet und bedarf des Einsatzes menschlicher Gestalten nicht, um sie zum farbigen Spiegel menschlichen Empfindens zu machen. In der kleinen Anzahl meist kleiner Bildnisse von intimer Wirkung stehen ein paar große Porträts in ruhiger Abgeklärtheit des farbigen und seelischen Ausdrucks obenan. Richard Stiller"
Nachkriegserfahrungen
Bergers Tochter Erika verließ die sowjetische Besatzungszone 1948, Tochter Gabriele die DDR im Januar 1950. Ernst Berger besuchte seine Töchter ab und zu im "Westen" oder sie kamen zu ihm in die DDR auf Besuch.
Die Witwe Johanna Böhme, geb. Stacherl, gebürtige Österreicherin, zog um 1950 als Haushälterin in das Haus von Ernst Berger, wo sie bis 1960 lebte. Nach einem unübersehbar großen Hausputz waren sie und ihr Sohn plötzlich nicht mehr da. Sie hatten Republikflucht begangen und waren wieder in ihre Heimat Österreich zurückgekehrt.
1960 verkaufte Ernst Berger sein Haus aus Altersgründen und da er keine Hoffnung hatte, dass seine Kinder wieder in die DDR zurückkehren würden. Haus und Grundstück wurden zu günstigen Bedingungen von Helmut und Edith Grimmer aus Sohra erworben. Ernst Berger erhielt im Gegenzug lebenslanges kostenloses Wohnrecht im Haus und wurde von Familie Grimmer in alltäglichen Dingen betreut.
Ernst Berger pflegte zu allen Zeiten viele Freundschaften, u. a. zu anderen Malern, Musikern, Sängern, Lehrern und Missionaren. Er diskutierte und philosophierte gern. Immer stand dabei sein Lieblingsgetränk "Schwarzer Tee" auf dem Tisch und hin und wieder gönnte er sich eine Zigarre.
Da er auch während der DDR-Zeit keinem Künstlerbund angehörte, wurde er nicht staatlich gefördert. Seine spärliche Rente musste für seinen Lebensunterhalt ausreichen. Er genoss es zu schildern, wie er "kämpfte", um einen Rahmen zusammenzuzimmern, um darüber die Leinwand für das nächste Bild zu spannen, und liebte es, selbstironisch über die kleinen Hindernisse, die sich ihm im Alltag in den Weg stellten, zu schmunzeln.
Ernst Berger war ein guter Erzähler. Wenn junge Frauen oder Männer bereit waren, seinen Gedankengängen zu folgen und sich mit seiner Philosophie zu befassen, beflügelten sie seinen Geist. Er nannte sie seine "Mysten" oder "Musen".
Eine langjährige Freundschaft verband ihn mit dem ehemaligen Missionar Georg Kannegießer, der sich eine Zeit lang bei Madras in Südindien aufgehalten hatte. Kannegießer nahm mit 40 Jahren noch ein Theologiestudium auf und arbeitete von 1922 bis 1926 in Oberbobritzsch und später in seiner Heimat Thierfeld bei Zwickau als Pfarrer. Ihre Freundschaft bestand im gemeinsamen Musizieren (E. Berger spielt Violine und G. Kannegießer Klavier), im Philosophieren und auch in der Malerei. Ernst Berger erstellte ein Gemälde von Pfarrer Kannegießer, worauf im Hintergrund die Kirche von Thierfeld zu sehen ist. Obwohl Ernst Berger kein Kirchgänger war, beteiligte er sich an Kirchenkonzerten, die an kirchlichen Feiertagen gegeben wurden.
Heinz Thuß, der Schwiegersohn von Pfarrer Kannegießer, war ebenfalls Akademischer Kunstmaler. Wenn Ernst Berger im Thierfelder Pfarrhaus weilte, malten sie oft gemeinsam die gleichen Motive. Anschließend verglichen sie ihre Bilder und diskutierten über den unterschiedlichen Malstil. Auch sonst fanden sie Gesprächsstoff, worüber sie sich angeregt unterhielten. Dabei sahen beide die Kirche mit einem kritischeren Blick als der Kirchenvertreter Georg Kannegießer. Das führte mitunter zu Zündstoff, der in langen Diskussionen endete. Ernst Berger weilte gern im Pfarrhaus in Thierfeld. Er gehörte hier zur Familie, pflegte mit ihr seine geliebte Hausmusik und umfangreichen Briefwechsel. Seine Briefe sind einmalig, da er Texte mit Skizzen und Illustrationen versah. Dabei wurde jedes Blatt voll ausgenutzt und die Ränder noch mit Anmerkungen versehen. Von den Enkelkindern des Pfarrers Kannegießer, Angelika und Karl-Heinz Thuß, wurde er liebevoll als "Onkel Ernst" bezeichnet.
Alterserfahrungen
Ernst Berger liebte es zu philosophieren. Er war zu einer eigenen Weltanschauung gelangt, die er auch in Gedichtform niederschrieb. Einer seiner Gedanken darin ist: "Die Linie ist der Träger des Geistes". Dieser Spruch betraf sowohl seine Malerei als auch seine philosophische Einstellung zur Welt. Ein weiterer Ausspruch von ihm lautete: "Man muss im Leben immer Partei ergreifen, darf sich aber niemals von einer Partei ergreifen lassen." Er stand der Ideologie der DDR kritisch gegenüber, hatte in einigen Punkten aber auch Verständnis für diesen Staat.
Ernst Berger lebte in seinem ehemaligen Haus in Sohra Nr. 14 bis ins hohe Alter von 85 Jahren. Nachdem sich verschiedene Beschwerden des Alters einstellten, war es Ehepaar Grimmer, die beide berufstätig waren und drei Kinder hatten, nicht mehr möglich, sich bei ihm der erforderlichen intensiven Pflege und Betreuung anzunehmen. Die Lebenssituation seiner beiden Töchter in der BRD war ebenfalls nicht problemlos, so dass seine Übersiedlung zu ihnen auch nicht möglich war.
Leider verbrachte er die letzten Jahre seines Lebens auf traurige Weise. Am 11. Juni 1968 wurde er in das Pflegeheim Hilbersdorf eingewiesen. Die damaligen Bedingungen der Unterbringung entsprachen noch nicht unseren heutigen Anforderungen. So musste er sich ein Zimmer mit fünf weiteren Heimbewohnern teilen. Das muss dem Individualisten und Freigeist sehr schwergefallen sein.
Ernst Berger verstarb am 22. Juni 1970 im Pflegeheim Hilbersdorf. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Friedhof in Oberbobritzsch. Nach Ablauf der offiziellen Liegezeit wurde diese für das Grab als Kulturdenkmal von der Gemeinde Bobritzsch immer wieder verlängert. Auch für die Pflege des Grabes wurde gesorgt. Auf einer schlichten Steinplatte steht:
ERNST BERGER
1882-1970
AKAD. KUNSTMALER
Nachwirkungen
1990/91 gestalteten Schüler und Lehrer der Schule in Oberbobritzsch, die auch von Kindern aus Sohra besucht wird, eine Ausstellung zu Ehren des Kunstmalers Ernst Berger. Im Vorfeld trugen sie in einer Studie Fakten aus seinem Leben zusammen. Sie fanden dabei Unterstützung durch Freunde, Bekannte und ehemalige Nachbarn des Künstlers, die sich nach so vielen Jahren gern wieder an ihn erinnerten. Es wurden von ihm gefertigte Gemälde, Zeichnungen, Skizzen zusammengetragen und in einer kleinen Ausstellung präsentiert.
In der Freien Presse erschien ein Artikel der Schüler über ihn mit der Überschrift "Maler mit Stradivari" sowie mit seinem Selbstporträt und einer Zeichnung von der Wirtschaft Nr. 6 in Sohra.
In vielen Häusern von Sohra sowie der näheren Umgebung, durch Umzug auch in weiter Ferne, hängen Gemälde von Ernst Berger. Ihre Besitzer sind stolz, diese ihr Eigen nennen zu können. Obwohl Ernst Berger in seinem späteren Leben die Ehrung und Anerkennung, die ihm gebührt hätte, nicht erfahren hat, sind die Einwohner von Sohra stolz darauf, einen so großen Künstler im Ort gehabt zu haben.
Der Heimatverein Sohra nahm sich seiner an und widmete ihm anlässlich des Schul- und Heimatfestes 2008 eine Ausstellung, wozu die Besitzer der von ihm angefertigten Gemälde, Porträts, Skizzen usw. gebeten wurden, diese leihweise zur Verfügung zu stellen. Außerdem wurde auf Initiative des Heimatvereins 2007 seine Grabstätte neu eingefasst und der Grabstein samt Inschrift vom Restaurator und Sohraer Bürger Eberhard Gerschler, einem Verehrer Ernst Bergers, restauriert. Vertreter des Heimatvereins legten zur Eröffnung des Schul- und Heimatfestes 2008 an seinem Grab ein Blumengebinde nieder und verneigten sich im Gedenken an Ernst Berger vor ihm.
Werke (Auswahl):
- Träumendes Kind, 1901, Sammlung Friedrich Hermel (zum Geburtstag seines Patenkindes Christine Hermel 1939, online)
- Zeltlager (deutsches) Sokolow, 1915, Sammlung Friedrich Hermel (Postkartenmotiv im letzten Brief an seinen "Geistesfreund" Friedrich Hermel 1967, online)
- Zerschossene Zille auf dem Aisne-Kanal, 1915, Sammlung Friedrich Hermel (Postkartenmotiv im letzten Brief an seinen "Geistesfreund" Friedrich Hermel 1967, online).
- Federzeichnungen, in: Justinus Kerner: Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit. Erinnerungen aus den Jahren 1786-1804, Köln: Schaffstein 1927.
- Selbstporträt, 1935, Sammlung Friedrich Hermel (zur Konfirmation seines Patenkindes Christine Hermel am 30. März 1947, online)
- Porträt Friedrich Hermel, 1942, Sammlung Friedrich Hermel (online)
- Porträt Margarete Neubert, 1942, Sammlung Friedrich Hermel (online)
- Entwurf des Stempels von Sohra, 1947, Stadtmuseum Dresden
- Selbstporträt, 1957, Stadtmuseum Dresden
- Blick ins Schlaraffenland, Entwurf, 1959, Sammlung Friedrich Hermel (Illustration auf einer Postkarte an Renate Hermel, online)
- Rotkäppchen, 1960, Sammlung Friedrich Hermel (Neujahrsgruß von "Onkel Ernst" an Eva Hermel, online)
Quelle: Siegrid Edinger: Leben und Wirken des Kunstmalers Ernst Berger (1882-1970), in: Chronik von Sohra anlässlich des Schul- und Heimatfestes 2008, Sohra: Heimatverein 2008, S. 167-175.