Literatur: Norbert Conrads, Deutsche Geschichte im Osten Europas: Schlesien, Berlin: Siedler 1994.
Schlesien als Zankapfel
Schlesien ist eine Region in Mitteleuropa beiderseits des Ober- und Mittellaufs der Oder und erstreckt sich im Süden entlang der Sudeten und Beskiden. Schlesien liegt heute zum größten Teil in Polen (nach Veränderungen 1922 und 1945). Ein kleiner Teil im Westen der früheren preußischen Provinz Niederschlesien gehört zu Deutschland, ein südlicher Teil von Oberschlesien zu Tschechien.
Kampf um die Vormachtstellung in Schlesien
Die seit Ende des 10. Jahrhunderts andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem Herzogtum Böhmen und dem Königreich Polen um die Vormachtstellung in Schlesien wurden erst 1137 mit dem Pfingstfrieden von Glatz beendet und ein eindeutiger Grenzverlauf festgelegt.
Polnisches Herzogtum Schlesien
Durch den Tod des polnischen Herzogs Bolesław III. "Schiefmund"* 1138 zerfiel Polen in einzelne Teilgebiete. Das Gebiet von Schlesien fiel an den ältesten Sohn Władysław II.* Er begründete das Herzogtum Schlesien und war Stammvater der Schlesischen Piasten. 1159 starb er im Exil im thüringischen Altenburg. Erst 1163 durften seine drei Söhne zurückkehren und das ihrem Vater entwundene Schlesien in Besitz nehmen. Im Zuge der Auflösung des für das Königreich Polen geltenden Senioratsprinzips erlangte das Herzogtum Schlesien, neben anderen polnischen Herzogtümern, de facto die politische Selbständigkeit.
Besiedlung mit Deutschen und Holländern
Unter Herzog Heinrich I.* "dem Bärtigen", der 1201 seinem Vater Bolesław I.* als Herzog von Schlesien nachfolgte, und seiner Frau, der 1267 heiliggesprochenen Hedwig von Andechs*, wurde die Besiedlung Schlesiens mit Deutschen und Holländern gefördert. Ebenso unter seinem gleichnamigen Sohn Heinrich II.*, der 1226 von seinem Vater zum Mitregenten berufen wurde. Er fiel 1241 beim Mongoleneinfall in der Schlacht bei Liegnitz.
Viele Teilherzogtümer unter böhmischer Oberhoheit
Unter seinen Nachkommen wurde das Herzogtum Schlesien ab 1249 durch Teilungen in zahlreiche Teilherzogtümer zersplittert, deren Herzöge sich nachfolgend politisch dem Königreich Böhmen zuwandten. Zwischen 1289 und 1292 unterstellten fast alle oberschlesischen Herzöge ihre Teilherzogtümer als Lehen Herzog Wenzel II., 1327 folgte das Herzogtum Oppeln und bis 1329 die meisten niederschlesischen Teilherzogtümer. 1331 huldigten auch die Herzöge von Glogau und 1336 von Münsterberg dem böhmischen König Johann von Luxemburg* 1342 folgte das geistliche Fürstentum Neisse diesem Beispiel. Bereits 1335 wurden die bis dahin erreichten Verhältnisse mit dem Vertrag von Trentschin anerkannt.
König Karl I./IV.* unterstellte Schlesien 1348 dem Heiligen Römischen Reich. Da es ihm jedoch nur mittelbar unterstellt war, besaßen die Herzöge von Schlesien und der Neisser Fürstbischof nicht die Reichsstandschaft und damit weder Sitz noch Stimme im Reichstag. Sie waren nur Böhmen untertan.
Erst nach dem Tod des kinderlosen Herzogs Bolko II., dessen Nichte Anna von Schweidnitz* mit dem römisch-deutschen und böhmischen König Karl I./IV.* verheiratet war, fiel das Herzogtum Schweidnitz 1368 erbrechtlich an Böhmen.
Mit dem Tod des Herzogs Georg Wilhelm I. fielen 1675 die Herzogtümer Liegnitz, Brieg, Wohlau und Ohlau als letzte der schlesischen Herzogtümer durch Heimfall an Böhmen.
Haus Habsburg und Dreißigjähriger Krieg
1526 übernahm das Haus Habsburg die Herrschaft über das Königreich und seine Kronländer und gliederte es in die Habsburgermonarchie ein. Böhmen konnte dennoch eine gewisse Autonomie aufrechterhalten.
1575 entstand im Auftrag der nichtkatholischen Länder der Böhmischen Krone die durch hussistischen Neuutraquisten und Lutheraner verfasste Confessio Bohemica. Die Bildung einer Landeskirche gelang nicht, doch erlangten die protestantischen Glaubensrichtungen mit dem Majestätsbrief von 1609 ihre Anerkennung als erlaubte Konfessionen.
1618 kam es zum Aufstand des weitgehend protestantischen böhmischen Adels gegen das katholische Herrscherhaus. Böhmen sagte sich daraufhin 1619 mit seinen Ländern vom Habsburgerreich los. Die neu gewonnene Unabhängigkeit hielt aber nur kurz. Bereits mit der Niederlage Böhmens in der Schlacht am Weißen Berg 1620 wurde das Königreich wieder ins Reich eingegliedert. Ferdinand II., 1617 zum König gekrönt, und seine Nachfolger unterdrückten rigoros jeglichen Widerstand in der Bevölkerung. Insbesondere im Dreißigjährigen Krieg sahen sich die Einwohner Böhmens zunehmender Repression ausgesetzt. Der Krieg verwüstete Teile des Landes schwer und führte zu einem kontinuierlichen Bevölkerungsrückgang.
Preußische Annexion Schlesiens und ihre Folgen
Während der Herrschaft von Maria Theresia (1740-1780) im Zeitalter des Absolutismus erfuhr Böhmen weitgehende Toleranz und das Verhältnis des Königreichs zum Herrscherhaus besserte sich wieder. Gleichzeitig wurde das Land durch den aufstrebenden nördlichen Nachbarn Preußen bedroht. 1740 besetzte die preußische Armee unter König Friedrich dem Großen Schlesien - damals immer noch ein Land Böhmens - und Böhmen musste es 1742 abtreten. 1757 stießen während des Siebenjährigen Kriegs preußische Truppen sogar auf Prag vor und brachten den Österreichern eine Niederlage bei.
Nach dem Ersten Schlesischen Krieg 1742 fiel Schlesien mit seinem größten Teil an Preußen, während der südliche Teil bei Böhmen verblieb und als Österreichisch-Schlesien bezeichnet wurde. Seit 1815 bildete der preußische Teil die Provinz Schlesien. Sie war von 1919 bis 1938 und von 1941 bis 1945 aufgeteilt in die Teilprovinzen Niederschlesien und Oberschlesien.
Folgen der beiden Weltkriege
1920 wurde ein Teil des Teschener Schlesiens rund um die Olsa und 1922 auch Ostoberschlesien als Autonome Woiwodschaft Schlesien Polen angegliedert. Während des Zweiten Weltkrieges war die preußische Teilprovinz Oberschlesien zwischen 1939 und 1944 um die bisherige Autonome Woiwodschaft Schlesien und weitere Gebiete, u. a. Auschwitz und das ehemalige Neuschlesien, vergrößert.
Der größte Teil der preußischen Provinz Schlesien in den Grenzen von 1937 wurde gemäß den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz 1945 ("Westverschiebung Polens") unter vorläufige polnische Verwaltungshoheit gestellt, de facto aber administrativ direkt der Volksrepublik Polen eingegliedert. Er gehört seit 1989 völkerrechtlich zur Republik Polen, kleinere Teile zählen zu Deutschland und zu Tschechien (vormals Tschechoslowakei). Die DDR erkannte die Grenze zu Polen bereits 1950 mit dem Görlitzer Abkommen diplomatisch an, die Bundesrepublik Deutschland die westliche Staatsgrenze Polens zunächst durch den Warschauer Vertrag (ratifiziert 1972) und endgültig mit dem deutsch-polnischen Grenzvertrag von 1990.
Der Hauptteil des zu Polen gehörenden schlesischen Anteils ist seit 1999 in drei Woiwodschaften geteilt: Woiwodschaft Niederschlesien, Woiwodschaft Oppeln und Woiwodschaft Schlesien. Einige kleinere Gebiete wurden auf benachbarte Woiwodschaften aufgeteilt.
Der Teil der Oberlausitz, den das Königreich Sachsen 1815 an das Königreich Preußen abtreten musste und der 1816 bzw. 1825 bis 1945 zu den Provinzen Schlesien bzw. Niederschlesien gehörte, kam - westseits der Lausitzer Neiße - 1945 wieder zum Land Sachsen. Heute liegt er im Norden der sächsischen Landkreise Görlitz und Bautzen sowie im Süden des brandenburgischen Landkreises Oberspreewald-Lausitz.
Das tschechische Schlesien wurde 2000 auf die Region Mährisch-Schlesien und die Region Olmütz aufgeteilt.
Schlesische Friedenskirchen
Als schlesische Friedenskirchen werden drei Kirchengebäude in Głogów (Glogau), Jawor (Jauer) und Świdnica (Schweidnitz) in Schlesien bezeichnet, die die bedeutendsten evangelischen Kirchenbauten im gesamten Habsburgerreich sind. Es sind die drei einzigen evangelischen Kirchen, die im Westfälischen Frieden von 1648 nach der Rekatholisierung Schlesiens auf Drängen der schwedischen Regierung vom Habsburgerkaiser Ferdinand III. den protestantischen Schlesiern zugestanden wurden und die gottesdienstliche Versorgung großer Landstriche in einem überwiegend protestantischen Gebiet gewährleisten mussten.
Allerdings musste eine ganze Reihe von Bedingungen erfüllt werden: Steine und Ziegel waren als Baumaterial verboten, nur Holz, Lehm und Stroh durften verwendet werden. Ebenfalls nicht gestattet war, die Kirchen mit Türmen oder Glocken zu versehen. Als Standorte kamen nur Plätze außerhalb der Stadtmauern aber in "Kanonenschussweite" in Frage. Die Bauzeit durfte ein Jahr nicht überschreiten und die Baukosten hatte die Gemeinde zu tragen.
Die Altranstädter Konvention von 1707 brachte die Erlaubnis, Türme und Glocken hinzuzufügen. Daraufhin wurden am Anfang des 18. Jahrhunderts neben die Kirche in Schweidnitz und an die Kirche in Jauer jeweils ein Glockenturm - ebenfalls im Fachwerkstil - gebaut.
Während die erste, 1648 in Glogau erbaute und 1654 nach einem Einsturz neu errichtete Friedenskirche 1758 bei einem Stadtbrand zerstört wurde, blieben die Friedenskirchen von Jauer und Schweidnitz über 350 Jahre lang erhalten und stehen seit dem Jahr 2001 auf der Welterbeliste der UNESCO. Sie sind die einzigen evangelischen Kirchenbauten, die als Einzelobjekte diesen Welterbe-Status besitzen.
Schlesische Gnadenkirchen
Die Altranstädter Konvention (auch Vertrag von Altranstädt genannt) wurde am 1. September 1707 im Schloss zu Altranstädt zwischen Karl XII. von Schweden und Kaiser Josef I. geschlossen.
Der Kaiser gewährte darin die Glaubensfreiheit für Schlesien. Den schlesischen Protestanten wurden 121 ihrer nach 1648 vertragswidrig beschlagnahmten Kirchen zurückgegeben und der Bau von sechs Gnadenkirchen in Sagan, Freystadt, Hirschberg, Landeshut, Militsch und in Teschen gestattet.
Ebenso durften die bestehenden drei Friedenskirchen von Glogau, Jauer und Schweidnitz mit Türmen und Glocken versehen werden.
Die Altranstädter Konvention stellte einen bedeutenden Einschnitt in der Konfessionsgeschichte Schlesiens dar. Sie beendete den katholischen Absolutismus und somit die Gegenreformation und bewirkte, dass Schlesien weiterhin eine konfessionell gemischte Region blieb. Die im Westfälischen Friedenstraktat verankerte Religionsfreiheit war zuvor in Schlesien wenig zur Anwendung gebracht bzw. im Nachhinein revidiert worden. So erlangten die Protestanten erst ab 1707/09 ihre Rechte (was allerdings noch keine Gleichberechtigung mit den Katholiken bedeutete). Diese Toleranz war ausdrücklich nur auf das Augsburgische Bekenntnis beschränkt. Für die reformierten Konfessionen wurde es erst am Ende des 18. Jhdt. leichter, nämlich unter der Herrschaft des Kaisers Joseph II. Zur gleichberechtigten Konfession wurden die Protestanten jedoch viel später, in Österreich erst mit dem Protestantenpatent von Kaiser Franz Joseph I. (1861).
Oratorium Marianum in Breslau
Das Oratorium Marianum ist ein Festsaal der Universität Breslau, die 1702 von Kaiser Leopold I. gestiftet wurde und den Namen Leopoldina bekam.
In den Jahren 1728 bis 1732 wurde die Aula Leopoldina erbaut und ist bis heute nahezu vollständig erhalten geblieben. Diese wird regelmäßig offiziell für universitätsöffentliche Anlässe genutzt.
Im Jahre 1733 wurde das Oratorium Marianum als Kirche der Marianischen Kongregation in der Universität Breslau feierlich eingeweiht. Der Saal wurde seitdem sakral genutzt.
Als nach dem Ersten Schlesischen Krieg 1742 Breslau mit fast ganz Schlesien an Preußen fiel, verlor die Akademie ihren gegenreformatorischen Charakter, blieb aber als konfessionelle Hochschule für die Ausbildung des katholischen Klerus in Preußen bestehen.
1802 wurde das Oratorium Marianum zu einem Saal der Universitätsbibliothek umfunktioniert.
Am 3. August 1811 wurden die Leopoldina und die Brandenburgische Universität Frankfurt durch königliche Kabinettsorder im Zuge der Neuformierung des preußischen Staates nach dem Frieden von Tilsit vereinigt und als Schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau mit fünf Fakultäten (katholische Theologie, evangelische Theologie, Recht, Medizin und Philosophie) neu gegründet. Sie war damit die erste deutsche Universität mit einer katholischen und einer protestantischen Fakultät.
Seit 1815 war das Oratorium Marianum einer der wichtigsten Konzertsäle Breslaus, in dem viele Künstler wie Niccoló Paganini, Clara Wieck, Anton Rubinstein, Franz Liszt, Hector Berlioz und Johannes Brahms gastierten. 1902 wurde eine Orgel von Hans Poelzig eingebaut.
1945 wurde der Saal nach einem Bombenangriff schwer beschädigt. Nach der notdürftigen Wiederherstellung wurde der Saal für militärische Ausbildungen genutzt.
Von 1985 bis 1993 wurde er in seiner barocken ursprünglichen Form wiederhergestellt. 1997 wurde er feierlich wiedereingeweiht.
Von 2013 bis 2014 wurden die barocken Deckengemälde durch Christoph Wetzel rekonstruiert.
Peter Godzik: Schlesien - Zankapfel zwischen Polen, Böhmen und Preußen, aus Wikipedia-Artikeln zusammengestellt im März 2020.