Marah Durimeh - die Menschheitsseele
Die katholische Kurdin Marah Durimeh nimmt im Karl-May-Universum eine besondere Stellung ein.
1892: In der Reiseerzählung Durchs wilde Kurdistan ist sie der Ruh 'i kulyan: Der Geist der Höhle.
1898: In der Reiseerzählung Im Reiche des silbernen Löwen II wird sie von Kara Ben Nemsi aus der Gewalt der Dawuhdijeh-Kurden befreit, die sie im Auftrag des Paschas von Suleimania als vermeintliche Zauberin gefangen genommen haben.
1906: In Mays einzigem Drama Babel und Bibel wird Marah Durimeh von Abu Kital, dem Scheik der An'allah, zum Schachspiel mit Menschenfiguren aufgefordert. Als alte Menschheitsseele bewirkt sie in Zusammenarbeit mit dem Märchenerzähler Hakawati und dem Edelmenschen Ben Tesalah, dass der Gewaltmensch Abu Kital bereit ist, sich zum Edelmenschen zu wandeln.
1909: Im Spätwerk Ardistan und Dschinnistan ist sie schließlich die Sultanin von Sitara.
1910: In Winnetou IV wird sie als Marimeh, Königin des fast vergessenen Landes Dschinnistan, beschrieben. Der Winnetou-Clan, dessen Mitglieder einen zwölfstrahligen Stern auf der Brust tragen zum Zeichen gegenseitigen Beistands, gründet sich auf ein Gesetz der Schutzengel aus dem Lande Dschinnistan. Dieses Gesetz wird auch in der Autobiografie Mein Leben und Streben im Märchen von Sitara erwähnt.
Mit zunehmender Wichtigkeit und Änderung der Rolle, die Marah Durimeh im Universum Karl Mays einnehmen sollte, änderte sich auch das physische Erscheinungsbild der alten Frau; von einem hässlichen, an den Tod gemahnenden Gerippe wurde sie zu einer imposanten, schönen alten Dame. Entsprechend hat Karl May auch ihre Schilderung von Kara Ben Nemsis erstem Zusammentreffen mit ihr seiner neuen Sichtweise angepasst:
1892: Ich [...] sah eine alte Frau, deren Äußeres mich schaudern machte. Sie schien ihre hundert Jahre zu zählen; ihre Gestalt war tief gebeugt und bestand wohl nur aus Haut und Knochen; ihr fürchterlich hageres Gesicht machte geradezu den Eindruck eines Todtenkopfes, aber von ihrem Haupte hingen zwei schwere weiße Haarzöpfe fast bis auf den Boden herab.
1898: Ich ... erblickte eine alte Frau, deren Äußeres mich schaudern machte. Sie schien über hundert Jahre zu zählen; ihre Gestalt war tief gebeugt und bestand wohl nur aus Haut und Knochen; ihr fürchterlich hageres Gesicht machte geradezu den Eindruck eines Totenkopfes, aber von ihrem Haupte hingen schwere weiße Haarzöpfe fast bis auf den Boden herab.
1906: Ich ... erblickte eine alte Frau, an der mein Auge mit Bewunderung hängen blieb. Sie war gewiß hundert Jahre alt, doch ihre Gestalt stand gerade und hoch aufgerichtet; ihre Augen hatten jugendlichen Glanz; ihre Züge waren seltsam schön und weich...
1909: Ich ... sah eine ganz eigenartige schöne Frau, deren Alter so hoch war, daß es, wie ich später erfuhr, gar nicht mehr bestimmt werden konnte. Dennoch trug sie ihre imposante Gestalt hoch, gerad und aufrecht, und in ihrem hochedel geformten Gesicht war fast keine Spur einer Falte zu sehen...
1896: In einem Brief vom 6. Oktober 1896 teilte May seinem Verleger Fehsenfeld mit, dass er im Anschluss an die Old Surehand-Trilogie drei Bände Marah Durimeh plane, welche sein Hauptwerk mit seiner gesamten Lebens- und Sterbensphilosophie enthalten sollen.
1906: Nach den Aufzeichnungen von Klara May hatte May 1906 an Pauline Ulrich geschrieben und ihr sein Drama Babel und Bibel geschickt. Sie antwortete ihm, sie würde die Rolle der Marah Durimeh in Babel und Bibel als ihre letzte große Gestalt auf der Bühne kreieren.
1980: In seiner Segeberger Wahlkampfrede zur Bundestagswahl 1980 erwähnte Helmut Schmidt Marah Durimeh.
2019: Im September 2019 teilte der Geschäftsführer der Karl-May-Gesellschaft, Hartmut Wörner, mit, dass die KMG ab 2021 die Verleihung einer Marah-Durimeh-Medaille plane. Der Entwurf von Lars Noah wurde in den KMG-Nachrichten Nr. 201 vorgestellt.