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Karl H. Peter
Wolfgang Lüth
Heinrich Ruhfus
Karl Dönitz

Twedterholz 3: Karl Peter

"Charly" Peter war nach dem Krieg als Oberleutnant z.S. (wieder) nach Flensburg gekommen, fuhr dann unter englischem und amerikanischem Kommando Minenräumboote und trat 1956 in die Bundesmarine ein. Nach verschiedenen Verwendungen, u.a. als Kommandant der "Schleswig-Holstein" und der "Deutschland" sowie Kommandeur der Marineschule Mürwik ging er als Konteradmiral in Pension. Er verstarb Ende 2003. In seiner Autobiographie (Acht Glas - Ende der Wache. Erinnerungen eines Seeoffiziers der Crew 38, Reutlingen: Preußischer Militär-Verlag 1989, S. 98; 106) schreibt er über das Haus

Twedterholz 3

Wir hatten von einem Amtswalter der Partei, der in Mürwik seinen Pflichten nachging und dem ich nach dem Kriege noch oft dankbar die Hand gedrückt habe, einen Wohnungstipp erhalten. Im Hause Twedterholz 3, so meinte er, ließen sich die unter dem Dach befindlichen "Mädchenzimmer" leicht in eine kleine Wohnung umwandeln. Der "Haken" war nur, daß die Mieter - vier Parteien - zögerten, diese Zimmer, die als Abstellraum dienten, aufzugeben. Es bedurfte eines Anstoßes.

Ich suchte Lüth auf, der zugleich Standortältester war, und bat um seine Hilfe. Er wurde sofort tätig und löste das Problem mit den Mietern in wenigen Tagen. Dann trat mein Amtswalter mit Malern und Ofensetzern in Tätigkeit. Im Februar 1945 konnten wir einziehen.

Die Möbel stellte meine noch in Kiel wohnende Schwiegermutter zur Verfügung. Der Transport nach Flensburg war in der damaligen Zeit ein Problem erster Ordnung. Ich schaffte es mit Hilfe meines Freundes Fritze Löhrl und einem Schulboot der Marineschule. Wie wir diesen Transport - von der Graf-Spee-Straße zum Kieler Hafen mit Lastwagen, mit Boot über See, dann wieder mit Lkw vom Flensburger Hafen zur Wohnung - bewältigt haben, ist mir noch heute ein Rätsel.

Unser erster Gast in der kleinen, aber gemütlichen Dachwohnung war Wolfgang Lüth. Auch meine Schwiegermutter und Fritze waren dabei. Der Abend ist unvergessen. Der geplagte, aber immer lebensfrohe Lüth war aus dem Häuschen, als er mit eigenen Augen sah, wozu er uns verholfen hatte. Seine menschliche Wärme, sein Humor, auch seine häufig aufblitzende Schalkhaftigkeit teilten sich uns mit. Die kargen Rotweinbestände, die Lüth noch - mit Sinn für "Wichtiges" - ergänzt hatte, wurden bis zur Neige "gelenzt". Wäre dieser großartige Mann uns doch länger erhalten geblieben! ...

In diesen hektischen Maitagen, die die Marineschule in den Mahlstrom der Geschichte gezogen hatten, vollzog sich auch das Schicksal ihres letzten Kommandeurs, des Kapitäns zur See Wolfgang Lüth. Als er in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai von der Sportschule zu seiner Wohnung ging - der Weg führte durch das Wäldchen -, überhörte er, total erschöpft, den Haltruf eines 18jährigen Postens. Dieser feuerte - nach seinen Angaben - einen Warnschuss. Dieser Schuss, zu tief gesetzt, traf Lüth in die Stirn. Er war sofort tot.

Ich habe Lüth zehn Stunden vor seinem Tode, am Nachmittag des 13. Mai, zum letzten Mal gesehen. An jenem Tage, es war ein Sonntag, hatte ein britischer Hauptmann uns um die Mittagszeit wissen lassen, daß unser Haus noch am gleichen Tage geräumt werden müsse. Es lag dem deutschen Regierungssitz am nächsten und sollte für irgendeinen Fernmeldezweck verwendet werden, für den es dann nie verwendet worden ist und folglich elf Monate leerstand.

Diese Notlage veranlasste mich - ich war der einzige Mann im Hause - an jenem Nachmittag Lüth in seiner Eigenschaft als Standortältester aufzusuchen und ihn um ein Notquartier für fünf Familien zu bitten.

Wir trafen uns im Säulengang der Schule. Dieses letzte Gespräch ist mir in guter Erinnerung geblieben. Bleich, mit eingefallenen Wangen und tiefliegenden Augen, stand er vor mir, seiner Art entsprechend zur sofortigen Hilfe bereit. Innerhalb einer Stunde hatte er uns ein Notquartier - das damalige Bauamt an der Mürwiker Straße, in dem später das Kommando der Schnellboote untergebracht war - zur Verfügung gestellt. Der Umzug konnte beginnen.

Ich begab mich an Bord und teilte meiner Besatzung die Lage mit. Alle waren zur Hilfe bereit. Wir marschierten zum Twedterholz 3, einige Maate "besorgten" mehrere Lkw-Anhänger, und dann haben 30 Mann fünf Familien umgezogen. Um Mitternacht, als die Sperrstunde einsetzte, waren alle provisorisch untergebracht.

Als ich am nächsten Morgen zu meinem Boot ging, erzählte mir jemand, daß Lüth tot sei. Ich konnte es nicht glauben. Er ruht gemeinsam mit dem Generaladmiral von Friedeburg in einer Grabstätte auf dem Adelbyer Friedhof.

Zwölf Jahre später, am Volkstrauertage des Jahres 1957, habe ich mit Fähnrichen der Crew V/56 im Beisein von Frau Lüth und ihren Kindern unweit der Stelle, wo Lüth den Tod fand, einen Gedenkstein gesetzt. Otto Schuhart, damals Ausbildungsleiter der Marineschule, hielt eine bewegende Weiherede.

Den Gedenkstein, einen schweren, wohlgeformten Findling, hatten Traute und ich in der Nähe der im Bau befindlichen Autostraße Mürwik-Glücksburg gefunden. Ein Bau­unternehmer, der Lüth gekannt hatte, schaffte ihn kostenlos zum Steinmetz in der Marienhölzung. Dieser schlug die Inschrift für einen mäßigen Preis.

Zwei Tage nach Lüths Tode wurde unser Junge im Hause Mürwiker Straße 191, wo uns von Bekannten zusätzlich ein Zimmer zur Verfügung gestellt worden war, geboren. Wir nannten ihn Friedrich-Wilhelm - Friedrich nach meinem Schwiegervater, Wilhelm nach meinem Bruder.

Heinrich Ruhfus

Aus: Karl Peter, Acht Glas - Ende der Wache. Erinnerungen eines Seeoffiziers der Crew 38, Reutlingen: Preußischer Militär-Verlag 1989, S. 92-93; 97.

Der Zufall hat uns nach dem Krieg wieder zusammengeführt. Wir wohnten im gleichen Hause in Mürwik, führten viele Gespräche und rauchten vor der Währungsreform gemeinsam die spärliche Tabaksration, die ich von meinem Minenräumverband mitbrachte.

Am 26. Juli 1949 fuhr ich mit dem Admiral im D-Zug von Flensburg nach Hamburg. Ich kehrte nach dem Wochenende zu meinem Cuxhavener Räumverband zurück, der Admiral wollte - wenn ich mich recht erinnere - berufliche Möglichkeiten in Hamburg prüfen. Das Gespräch, das wir im Zuge führten, war alltäglicher Art und versandete bald. Der Admiral schaute lange schweigend aus dem Abteilfenster. Als wir den Nordostseekanal passiert hatten, wendete er sich mir zu und sagte unvermittelt: "Heute vor 17 Jahren ist mir die "Niobe" gekentert.

Ich schwieg - völlig überrascht - und wartete. Die Mitreisenden wurden auf uns aufmerksam. Dann begann der Admiral zu erzählen. Erst zögernd, dann sicherer und konzentriert, berichtete er von jener schicksalsschweren Stunde im Fehmarn-Belt am 26. Juli 1932, als er sein Schiff und 69 Mann Besatzung (von 109) verlor. "Eben stand ich noch an Deck. Minuten später fand ich mich im Wasser wieder, an einer Gräting hängend." Das waren seine Worte.

Ruhfus' Weg durch die Marine ist in besonderem Maße von Höhen und Tiefen gekennzeichnet und würde sicher eine lesenswerte und aufschlußreiche Biographie abgeben.

Er trat 1913 als Kadett in die Kaiserliche Marine ein und wurde 1942 zum Konteradmiral befördert. Das sieht nach einem klaren Weg aus. Wie steinig er aber gewesen ist, das mögen wenige Hinweise aufzeigen.

Im Oeselunternehmen, 1917, lief sein Torpedoboot - S 64 - auf eine Mine und sank. 1932 kenterte ihm an einem schönen Sommertage durch eine urplötzlich auftretende Gewitterböe, die in dieser Form nur einmal in 100 Jahren auftreten mag, das Segelschulschiff "Niobe" vor Fehmarn. Ein Kriegsgerichtsverfahren hat seine Unschuld nachgewiesen.

Im Norwegen-Unternehmen verlor er wiederum sein Schiff, den Kreuzer "Königsberg", am 10. April 1940 am Kai von Bergen durch britische Flugzeuge.

Als Kommandeur der Marineschule, ein Amt, das er sehr gut ausgeübt hat, wurde er im Frühjahr 1944 nach einem Besuch des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine Knall auf Fall abgelöst. Die Ereignisse, die zu dieser Maßnahme führten und deren Zeuge ich gewesen bin, vermag ich noch heute nicht einzuordnen. Ich werde davon an derer Stelle berichten.

Ruhfus wurde dann Seekommandant an der Riviera, mit Sitz in Toulon. Dort geriet er bei der Landung der Alliierten in französische Gefangenschaft, die ihn körperlich ruiniert hat.

Nach der Rückkehr - im Juli 1947 - war er nach seinen eigenen Worten (im Buch der Crew 1913) "zunächst Torfarbeiter und Stadthausierer, dann Handelsvertreter, schließlich ab 1955 Pensionär". Ich erinnere mich eines erschütternden Augenblicks im Sommer 1948. Der Admiral und ich saßen im Garten des Hauses Twedterholz 3 auf einer Bank, als er mir sagte: "Demnächst werde ich wohl den Gashahn aufdrehen. Als ich gestern Abend Fliedersträuße bei alten Marinekameraden verkaufte, hat mich die Polizei erwischt. Ich habe doch keine Gewerbeerlaubnis."

Heinrich Ruhfus, dieser vielgeprüfte, tüchtige Mann, starb am 26. Mai 1955. Er ruht auf dem "Friedenshügel" in Flensburg. Mir wird er immer in dankbarer Erinnerung bleiben. ...

Karl Dönitz

Im März 1944 besuchte der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Dönitz, für zwei Tage die Marineschule, begleitet vom Personalchef der Marine, Konteradmiral Baltzer, der bei diesem Besuch Arbeit bekam.

Bei der Besichtigung der II. Abteilung, also in Meierwik, gehörte ich als "Kasernenoffizier", ein Amt, das man mir neben meiner Tätigkeit als Gruppenoffizier aufgedrückt hatte, zum "Gefolge". So wurde ich Zeuge eines unerfreulichen Tages.

Der Großadmiral zeigte sich sehr unbefriedigt von dem, was er sah. Ich hatte schon nach kurzer Zeit den Eindruck, daß er "voreingeströmt" war. Wer hatte ihm diese "Voreinströmung" eingegeben? Ich weiß es bis heute nicht, aber ich erlebte ein "Revirement" an Ort und Stelle mit, das meinen Eindruck bestätigte.

Als erster "fiel" mein Abteilungskommandeur, der erst zehn Tage im Amt war, dann der alte Pochhammer, der sich auf den Besuch des Großadmirals besonders gut vorbereitet hatte, bald darauf der Kommandeur der Schule, Konteradmiral Ruhfus, im Laufe der folgenden Monate der Kommandeur der I. Abteilung und zahlreiche Kompaniechefs.

Die Marineschule war bedrückt oder - wie man heute sagen würde - verunsichert. Die bisherige Arbeit wurde durch diesen abrupten Personalwechsel diskreditiert. Ich bin aber noch heute der Überzeugung, daß meine Kommandeure gute, sachliche Arbeit geleistet haben.

Etwa acht Tage später rückte der Vizeadmiral Bernhard Rogge, damals Inspekteur des Bildungswesens, der nicht an der Besichtigung teilgenommen hatte, die Sache zurecht, als er die Offiziere der Marineschule in der Aula versammelte und sie mit deutlichen Worten wissen ließ, dass sie ihre Sache gut gemacht hätten.